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Das Erbe der Phaetonen

Das Erbe der Phaetonen

Titel: Das Erbe der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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und die Landschaft sonderbar durch- sichtig erscheinen ließ.
       Der Fjord lag in jener Zone des Planeten, in der der Morgen gerade erst graute, aber das Bild würde sich auch bei Tage nicht ändern. Es mochte ein bißchen heller werden, weiter nichts. Die kilometerdicke Wolkenschicht, die die Strahlen des Tageslichts nur spärlich durchsickern ließ, verlieh der Venus sogar am Mit- tag nur die Helligkeit eines Abends auf der Erde.
       Die Gelehrten wußten bereits, daß auf der Schwester der Erde ständig Winde wehten, die sich bisweilen zum Orkan steigerten. Aber der hundert und mehr Meter hohe Wald wirkte eigenartig starr. In den Wipfeln war nicht die geringste Be- wegung wahrzunehmen. Wie versteint standen die orangeroten Baumriesen. Ebenso unbeweglich schienen auch die gelben Sträucher, die dicht bei dicht die rosafarbenen Stämme um- drängten.
       Wäre nicht die Bewegung des Wassers und des Nebels ge- wesen, das Land hätte tot gewirkt, als sei es von einem geistes- gestörten Künstler, der alle Farben der Pflanzenwelt verwech selte, auf den bleigrauen Himmel gemalt. Nirgends prangte das den Menschen der Erde so vertraute Grün.
       „Ich glaube, als wir damals mit ‚KS 2’ hier waren, haben sich die Wipfel der Bäume geregt“, sagte Paitschadse.
       „Ich erinnere mich genau, daß der Wind die Baumkronen wiegte“, bestätigte Melnikow. „Denken Sie doch an meinen Film.“
       Belopolski hob verständnislos die Schultern.
       „Entweder steht hier eine andere Baumart“, sagte er, „oder wir haben uns damals getäuscht. Ich kann mich nicht darauf be- sinnen, ob im Film eine Bewegung des Waldes zu sehen war. Die ,KS 2’ hat ihn sehr schnell überflogen.“
       Je länger die Sternfahrer durch die Bullaugen des Observato- tiums die Umgebung betrachteten, desto eigenartiger wirkte sie. Es war unfaßbar, daß dies tatsächlich ein Wald, also ein Reich der Pflanzen, sein sollte. Allzu unbeweglich und leblos sahen alle diese Sträucher und Bäume aus. Durchs Fernglas war zu erkennen, wie regellos die Zweige wuchsen, die im übrigen wie verbogene Röhren aussahen und keine Blätter, sondern ver- schiedenfarbige längliche Knollen trugen. Die Baumstämme waren von der Wurzel bis zur Krone beinahe gleich stark, etwa einen Meter im Durchmesser, was bei derart hohem Wuchs noch mehr verblüffte. Die gelben Büsche sahen wie eine kompakte Masse aus, und sogar durch die starken Ferngläser konnte man keine Zweige unterscheiden. Überall hingen wundersam ver- schlungene Lianen; sie waren armstark und purpurfarben mit schwarzen Ringen; dadurch erinnerten sie an bestimmte Koral- lenarten. Mit ihren biegsamen Leibern wanden sie sich um die rosafarbenen Stämme und die roten und orangefarbenen Zweige.
       „Was halten Sie von alledem?“ fragte Paitschadse, während er das Fernglas absetzte und sich Korzewski zuwandte.
       „Das ist das Reich von Aktinien, von Blumentieren, Korall- polypen also“, erwiderte der Biologe.
       Man hätte schwerlich einen treffenderen Vergleich ersinnen können. Die Bäume der Venus glichen tatsächlich ungewöhnlich großen Korallen, jenen schlauchähnlichen Lebewesen, die auf der Erde in den warmen Äquatorialgewässern leben.
       „Und die gelben Sträucher erinnern an Schwämme“, warf Melnikow ein.
       Professor Balandin lächelte.
       „Verhielte es sich so“, sagte er, „dann gäbe es auf der Venus keine Gewächse, und wir wären in das Reich von Lebewesen verschlagen worden.“
       „Das könnte wahrhaftig so sein“, erklärte Belopolski ernst. „Wenn wir bedenken, daß die Gewächse auf der Venus nach der Spektralanalyse Sauerstoff aufnehmen und Kohlensäure ab- geben, was bekanntlich Lebewesen zu tun pflegen, so ist das gar nicht verwunderlich.“
       „Nein!“ rief Melnikow aus. „Auf der Venus gibt es richtige Bäume. Ich entsinne mich genau. Ich bin davon überzeugt. Am Ufer des Flusses, den wir beide gesehen haben, wuchs ein leben- diger Wald.“
       „Boris hat recht“, stellte Paitschadse fest.
       „Wir sind also auf eine neue Gattung gestoßen. Es wäre sehr schön, wenn es sich so verhielte. Je mehr Neues wir auf der Venus finden, desto besser!“
       „Wann werden wir von Bord gehen?“ fragte Korzewski un- geduldig.
       „Sobald Stepan Arkadjewitsch die Analyse beendet hat.“
       Doktor Andrejew, der Chefarzt – Korzewski war sein Assi- stent –, hatte schon damals, als er sich an

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