Das Erbe der Phaetonen
ist es, die Mündung eines bestimmten Flusses zu finden. Erst wenn das unmöglich sein sollte, werden wir den Kurs ändern.“
„Im äußersten Fall“, sagte Paitschadse, „bleiben wir in der Luft, bis das Festland die Nachtseite verläßt.“
„Sie vergessen, daß die Atmosphärentriebwerke nicht allzu lange arbeiten können.“
„Was sollen wir aber tun?“
„Auf dem Ozean können wir jedenfalls nicht landen“, stellte Balandin fest. „Soweit man urteilen kann, ist der Wind sehr stark; unter uns tobt ein Sturm.“
„Auch wenn man den pausenlosen Regen berücksichtigt, muß man zu dem Schluß kommen, daß unser Schiff auf dem Ozean die denkbar schlechtesten Bedingungen erwarten“, pflichtete ihm Melnikow bei.
Abermals verstrichen zwei Stunden, aber nichts änderte sich. Nach wie vor breitete sich unter dem Schiff die unendliche See. Oft mußten Gewitterfronten durchflogen werden, dann wallte undurchdringlicher Nebel vor dem Bildschirm, und nur die Apparate zeigten an, daß voraus immer noch kein Land war.
Doktor Andrejew schlug vor, die Kräfte durch ein Frühstück zu stärken. Während der ganzen Fahrt gehörte die Verpflegung der Expeditionsmitglieder zu seinen Obliegenheiten. Das war weder anstrengend, noch kostete es viel Zeit. Die Vorratskam- mern des Raumschiffes bargen, sortiert, numeriert und in Spezial- pakete verpackt, alle notwendigen Lebensmittel. Man brauchte nur eins nach dem andern herauszunehmen und, falls notwendig, den Inhalt im Thermostat zu erwärmen. Zehn Minuten – und Frühstück, Mittagessen oder Abendbrot waren fertig. Auch Ab- wasch belastete die Sternfahrer nicht, weil es kein Geschirr gab; unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit erübrigte sich die Benutzung von Tassen und Tellern. Die Metall- und Plaste- behälter, Schachteln und Büchsen wurden zusammen mit den Essenresten im Elektroofen beseitigt und die Asche hinaus- geschüttet.
Auch jetzt wieder bereitete Andrejew schnell alles vor, doch seine Mühe war vergebens. Nur Toporkow, Saizew und Kor- zewski folgten der Einladung. Den übrigen hatte die Aufregung den Appetit verdorben. Belopolski und Melnikow gaben dem hartnäckigen Drängen des Arztes schließlich nach und tranken etwas Schokolade. Dann nahmen auch sie wieder ihren Platz am Steuerpult ein.
Ein und derselbe Gedanke beunruhigte die Expeditionsmit- glieder. Wenn sich auf jener Seite der Venus, die zur Zeit der Sonne zugekehrt war, kein festes Land fand, konnte eine sehr unangenehme Lage eintreten. Den Berechnungen der Astronomie zufolge waren Tag und Nacht auf der Venus äußerst lang, keinesfalls kürzer als zwei, drei Wochen. Wieviel Zeit würde da vergehen, bis die Umdrehung des Planeten das Festland zu- tage förderte! Vielleicht war es auf dem Kontinent gar erst vor kurzem Nacht geworden?
So stark die atmosphärischen Triebwerke des Raumschiffes auch waren, sie konnten nicht mehr als vierzig Stunden ohne Unterbrechung laufen. Wenn in dieser Zeit keine Landung mög- lich war, blieb nur ein Ausweg: Das Schiff müßte die Atmo- sphäre der Venus wieder verlassen und sich nach Erreichen des interplanetaren Raumes vorübergehend in einen Sputnik der Venus verwandeln. Diese Aussicht fand niemand verlockend, da kostbare Zeit verlorenging, die für die Forschungsarbeiten vorgesehen war. Ganz zu schweigen davon, daß ein abermaliger Durchbruch durch die Atmosphäre große Gefahren mit sich brachte.
Für die Männer an Bord verstrich die Zeit in quälender Ein- tönigkeit. Stunde um Stunde flog das Schiff, tausend Meter unter sich das tosende Meer und über sich den gleichbleibend düsteren Himmel, aus dem sich immer wieder heftige Regengüsse auf das Meer ergossen. Bisweilen stießen sie auf große Flächen dichten Nebels, daß es der Besatzung vorkam, als flöge das Schiff aber- mals in den Wolken. Mehrmals ließen grelle Blitze Himmel und Meer in unmittelbarer Nähe des Schiffes miteinander verschmel- zen, und durch die stählernen Wände des Schiffsleibes war das schreckliche Gepolter der elektrischen Entladungen zu hören.
Das erhabene Bild der Elementargewalten, die hier in der größeren Sonnennähe um ein vielfaches stärker waren als auf der Erde, drängte jedem Kosmonauten unwillkürlich die Frage auf: Wie wird es uns ergehen, wenn wir nach der Landung aus- steigen? Werden die Erdenmenschen in den Händen der feind- lichen Venusnatur nicht wie Spielzeug sein? Werden sie
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