Das Erbe der Phaetonen
dasselbe Bild.
Nach fünfzehn Minuten hatte das Flugzeug die Insel um- flogen. Dann überquerte es sie mehrmals von Norden nach Süden, von Osten nach Westen und in umgekehrter Richtung. Aber nichts war zu erspähen, was auch nur im entferntesten an eine künstliche Anlage erinnert hätte.
Die Korallensiedlung inmitten des Ozeans lag völlig verein- samt und war offenbar unbewohnt. Wenn es auf der Venus be- wußtes Leben gab, dann mußte es anderenorts gesucht werden.
Melnikow wollte schon zum Schiff zurückfliegen, da meldete Toporkow, das Ionometer steige steil an, und anscheinend ziehe ein mächtiges Gewitter herauf.
„Die Ionisierung nimmt schnellstens zu“, wurde vom Schiff übermittelt, „sie ist bedeutend stärker als gewöhnlich. Ihr müßt äußerst vorsichtig sein.“
Melnikow musterte den Horizont. Tatsächlich schob sich von Nordwesten her eine breite schwarze Bank heran. Schnell wach- send und voll zuckender Blitze, schien sie die Insel stürmen zu wollen.
Es durfte nicht gezögert werden. Noch fünf, sechs Minuten, und das Gewitter würde die Insel zudecken. An eine Landung war nicht zu denken. Das hieße das Flugzeug der Vernichtung preisgeben. Der Regen wurde herniederprasseln, bevor sie im Hangar Schutz gefunden hätten.
Melnikow gab Vollgas. Mit Überschallgeschwindigkeit raste die Maschine nach Süden und stieg zugleich zu den Wolken empor. Sollte es nicht gelingen, dem Gewitter zu entfliehen, so blieb noch der Ausweg, größere Höhen zu erreichen.
Rasch näherte sich der schwarze Streifen dem Flugzeug, aber Melnikow erspähte weit voraus schon das Ende der Wand. Sich im Blindflug in die Wolken schlagen wollte er nicht. Er drehte etwas nach Osten ab, wich so vor dem Gewitter aus und gewann Zeit.
Buchstäblich in letzter Sekunde gelang es ihm, der Front zu entrinnen.
Die tückische Wasserwand schoß dicht hinter dem Schwanz des Flugzeuges vorüber. Wie immer auf der Venus hatte auch diese Gewitterfront scharfe, gleichsam geschnittene Grenzen. Wäre der Wind nicht gewesen, so hätte man wohl wenige Schritte neben einem Wolkenbruch stehen und trotzdem trocken bleiben können.
Nachdem Melnikow sich überzeugt hatte, daß die Gefahr an ihnen vorübergegangen war, drosselte er die Geschwindigkeit und drehte nach Westen ab.
Die Insel hatte sich ihren Blicken längst entzogen. Sie waren allein inmitten der unendlichen Räume des fremden Planeten. Allein in einem kleinen zerbrechlichen Apparat, den die ent- fesselten Naturgewalten in wenigen Augenblicken zerschmet- tern konnten. Die Funkverbindung mit dem Raumschiff war mit Einsetzen des Gewitters abgebrochen.
Wtorow fühlte sich schrecklich einsam.
Nun war alles aus!
Nie würden sie die Insel und das Schiff wiedersehen. Eine der Gewitterfronten, die überall, wohin sie auch blickten, sicht- bar waren, würde über sie herfallen, und die Wellen des Ozeans wurden über dem zerschellten Flugzeug zusammenschlagen – kein Mensch erfuhr je, wo sie beide ihr Grab gefunden hatten.
Er beugte sich instinktiv zu Melnikow vor, dem einzigen unter Millionen Erdenmenschen, der sein Los teilte.
Sie waren allein! ... Niemand würde ihnen zu Hilfe kommen!
Der breite Rücken des Piloten bewegte sich nicht. Melnikows
behandschuhte Hände hielten sicher das Steuer. Er wandte den Kopf, spähte zum Horizont, und durch das Schauglas seines Helmes sah Wtorow die ruhigen Züge des Gefährten, die auch nicht den Schatten einer inneren Unruhe verrieten.
Da fühlte Wtorow, wie ihm jählings das Blut ins Gesicht schoß. Er schämte sich seiner kleinmütigen Gedanken. Was für ein Sternfahrer war er, wenn die erstbeste Schwierigkeit ihn aus dem Gleichgewicht warf? Das Gewitter würde von der Insel abziehen und die Funkverbindung wiederhergestellt werden. Und selbst wenn es sehr weit abgeirrt war, konnte das Flugzeug mit Hilfe der Funkorientierung den Rückweg finden.
Nachdem Melnikow fünf Minuten Kurs West geflogen war, wendete er. Er wollte sich nicht zu weit von der Insel entfernen.
Im Norden war der ganze Horizont von Regen verhangen. Von Süden her wälzte sich wieder eine Gewitterfront heran.
Das Flugzeug stieg noch ein Stück. Wenn die beiden Fronten zusammenstießen, gab es für die Maschine keinen anderen Aus- weg als die Flucht in größere Höhe.
Sie flogen schon über vierzig Minuten. Wie lange wird es noch
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