Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin
Rebellen durch einen geschickt eingefädelten Plan in eine Falle zu locken? Getrieben von dem Verlangen, der Katzenfrau das Wissen so schnell wie möglich zu entreißen, hatte sie die mahnenden Worte der andaurischen Berater einfach hinweggefegt und sich auf jene Methoden verlassen, die ihr bei Uzoma, Elben und Menschen schon so oft gute Dienste geleistet hatten.
Ein großer Fehler, wie sich nun herausstellte.
Aber noch war nichts verloren.
Obwohl sie es sich nur ungern eingestand, war sie Imhot sogar dankbar, dass er das Leben der Katzenfrau verschont und sie auf einen neuen Gedanken gebracht hatte.
Ein Gottesurteil!
Ein dünnes Lächeln umspielte Vharas Mundwinkel, als sie die Möglichkeiten erwog, die sich daraus ergaben. Und während der Plan langsam in ihr reifte, machte sie sich auf den Weg zu den Heilerinnen.
***
Ajana und Abbas kamen gut voran.
Die Pferde waren ausgeruht und hielten die schnelle Gangart, die Ajana anschlug, mühelos durch. Unter ihren Hufen flog die Zeit dahin wie die weißen Wolken am hellblauen Frühlingshimmel. Hin und wieder begegneten sie Händlern, die mit voll beladenen Karren auf dem Weg zur Festung waren oder ihnen von dort entgegenkamen. Zumeist aber lag die Straße einsam und verlassen vor ihnen.
Abbas hielt sich dicht bei Ajana, die eine halbe Länge vorausritt. Obwohl er den Grund dafür nicht kannte, spürte er, dass sie es eilig hatte. So überließ er es ihr, die Gangart zu bestimmen, und folgte ihr, ohne zu fragen.
Die Straße führte fast schnurgerade nach Norden. Links des Wegs erstreckte sich ein riesiges Waldgebiet, dessen Ende sich im feinen Dunst am Horizont verlor. Es war die Heimat der Elben, und obwohl sie keinen Angehörigen des gestrandeten Volkes zu Gesicht bekamen, glaubte Abbas doch einmal zu spüren, dass sie aus dem undurchdringlichen Dickicht des Waldrandes heraus beobachtet wurden.
Auf der rechten Seite war der Wald weitgehend gerodet. Brauner, noch unbestellter Ackerboden wechselte sich ab mit ausgedehnten Weideflächen, auf denen Kühe oder Pferde grasten. Dazwischen lagen, weit verstreut, die Gehöfte der Katauren. Weißer Rauch stieg in der windstillen Luft fast senkrecht aus den Essen empor. Ein Zeichen dafür, dass die Frauen dort schon das Mittagsmahl vorbereiteten.
Abbas hatte Hunger. Doch als er Ajana nach einer Rast fragte, schüttelte diese energisch den Kopf, schaute suchend zu Himmel hinauf und beteuerte noch einmal, dass sie die Festung unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wolle.
»Was gibt es am Pass denn so Dringendes, dass Ihr so schnell dorthin müsst?«, fragte Abbas nach einer Weile, um die Ursache von Ajanas Eile zu ergründen. Der Nachmittag war schon weit vorangeschritten, und sie gönnten den Pferden eine kleine Verschnaufpause, indem sie absaßen und die Tiere im Schritt gehen ließen. »Verzeiht, wenn ich frage, aber ich hörte, dass Vorbereitungen für ein großes Fest anlässlich Eurer Heimkehr getroffen werden. Da wundere ich mich doch sehr, dass Ihr Sanforan allein verlassen habt.« Abbas hatte zu Ajana aufgeschlossen und blickte sie aufmerksam an.
»Es wird kein Fest geben«, erwiderte Ajana knapp und fügte betrübt hinzu: »Und es wird keine Heimkehr geben. Der Ulvars ist tot!«
»Tot?« Abbas hielt erschüttert inne. »Aber die ehrwürdige Inahwen hat doch selbst verlauten lassen …«
»Ich weiß, was sie gesagt hat«, fiel Ajana ihm ins Wort. »Aber sie täuscht sich. Sie ahnte wohl nicht, welche Macht die Priesterin des dunklen Gottes noch besitzt. Sonst hätte sie den Ulvars besser geschützt. Jetzt ist er tot, zerstört durch einen Zauber, den Vhara selbst über die Grenzen Nymaths hinweg zu weben vermochte.«
»Vhara?« Abbas sah Ajana fassungslos an. »Aber das ist unmöglich! Die Hohepriesterin der Uzoma ist tot. Wir haben es selbst gesehen. Sie starb in den Fluten des Wehlfangs, als Maylea sie mit sich riss, um …« Die Bilder der furchtbaren Ereignisse, die sich im feurigen Herzen des Wnutu zugetragen hatten, überwältigten ihn, und er brach erschüttert ab.
»Ich weiß, was du fühlst.« Ajana legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. »Maylea war mir eine gute Freundin, und ich werde nie vergessen, was sie für uns getan hat. Auch ich hielt Vhara für tot. Auch ich habe mich täuschen lassen. Vhara scheint auf magische Weise gegen die zerstörerische Kraft des Feuers gefeit zu sein. Sie hat nicht nur den Sturz in den Wehlfang, sondern auch die Gluthitze des flüssigen
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