Das Erbe der Uraniden
Hydepark in London gefunden wurden. Ein paar Bekannte waren bei mir. Wir sprachen über allerlei, aber ganz bestimmt nicht über Lee, der doch stark in Vergessenheit geraten war. Majadevi saß in einer Ecke und schlief anscheinend. Plötzlich fing sie an zu sprechen. Ihre Worte, wie im Schlaf gesprochen, erschienen uns als wirre Träume. Sie redete von einem Mann, der im feurigen Wagen zum Himmel fuhr… auf dem großen, blanken Stern haltmachte… fünf tote Männer, die dort begraben lagen, mit sich in seinen Wagen nahm, sie zur Erde zurückbrachte, zur Heimat. –
Wir lachten, denn das, was ich Ihnen so kurz sagte, erzählte sie in langen, weitschweifigen Sätzen. Nachdem sie geendet, trat ich zu ihr, wollte sie wecken. Sie schlug die Augen auf, sah mich verständnislos an, als ich sie fragte, was ihr Kauderwelsch zu bedeuten habe. Sie behauptete, von all dem Gesagten nichts zu wissen.
Als am nächsten Abend die Radiostationen uns die Nachricht von dem Fund im Hydepark brachten, kam uns allen sofort das sonderbare Benehmen Majadevis in Erinnerung.«
Der Inder hielt inne und wandte sich zur Tür, durch die Majadevi eintrat. Sie schritt bis zur Mitte des Saales, blieb dann stehen. Die Arme hatte sie über der Brust gekreuzt, den Kopf leicht geneigt.
»Haben die Herrschaften irgendwelche besonderen Wünsche?«
Canning blickte fragend um sich. »Nein – doch verfolgen Sie vielleicht ein ähnliches Programm wie in Buenos Aires. Ich meine, fangen Sie mit den telepathischen Tricks, oder wie Sie es nennen wollen, an.«
Der Inder verbeugte sich, trat zu Majadevi, legte kurz die Hand auf ihre Stirn. Dann zeigte er in allerdings verblüffender Art telepathische Experimente schwierigster Art.
»Goddam«, brummte van der Meulen gedankenverloren vor sich hin. »Verflucht feine Tricks! Der Teufel weiß, wie sie es machen. Hokuspokus bleibt’s doch! Aber jetzt werde ich mal das Orakel fragen.« Er zwinkerte den anderen vertraulich zu.
Alte Jugenderinnerungen waren in ihm aufgetaucht. Seine Heimat, ein kleines holländisches Fischerdörfchen… seine Geschwister… seine Eltern.
Er fragte durch den Mund des Inders. Die anderen konnten die Richtigkeit der Beantwortung nicht nachprüfen, da ihnen diese kleinen Jugenderinnerungen van der Meulens nicht bekannt waren. Doch sahen sie mit einer leichten Schadenfreude, wie bei den Antworten des Mediums Erstaunen, Verwunderung sich immer stärker auf van der Meulens Gesicht ausprägten.
»Kinder, ist so was möglich?! – Es stimmt! Stimmt alles, was das Mädchen sagt. Wie kann einer das erklären?« Seine Stirn zog sich in Falten, vielleicht, daß der schlaue Alte sich vorher erkundigt hätte? Nein, ausgeschlossen, das meiste wußte außer ihm kein Mensch.
»Doch jetzt noch eine Frage, über die wir alle Bescheid wissen. – Wo war…«, er legte die Hand auf Cannings Schulter, »dieser Herr hier vor drei Wochen?«
Der Inder wiederholte die Frage an das Medium. Ein unmerkliches nervöses Zucken ging über Cannings Gesicht. Er schloß die Augen, konzentrierte mit stärkster Willensanstrengung seine Sinne auf Amsterdam und London. Zwang die wohlbekannten Städtebilder, Straßen, Hotels, Bekannte vor sein geistiges Auge. Er biß die Zähne aufeinander, flüsterte unhörbar – »Der Osten… ich kenne ihn nicht… er ist verschwunden… ein graues Nebelmeer dort… nichts zu sehen für mich… für sie… keine Stadt dort, die ich kenne – « Seine Reise, so wie er sie den anderen erzählt hatte, er zwang sich, sie körperlich zu erleben… Er landete in Amsterdam, besuchte die bekannten Geschäftshäuser, fuhr dann über den Kanal nach London. Nichts existierte in seiner Einbildung als diese beiden Städte, die Geschäfte, die er in den Handelshäusern abschloß – die Theaterbesuche –, er saß in der Oper, hörte die Musik, glaubte sie so deutlich zu vernehmen, daß sein Ohr in dem Genuß schwelgte – keinen Orient gab’s, keine Stadt, die er dort besucht hätte.
Canning achtete nicht darauf, daß Sarata zu dem Mädchen getreten war, als dessen Antwort ausblieb. Der wiederholte die Frage leise, eindringlich. Er warf Canning einen mißtrauischen Blick zu. Das nervöse Arbeiten in den Zügen des Mediums machte ihn stutzig. Er ergriff ihre Hand, fühlte, wie Majadevi einen schweren Kampf mit einem fremden, starken Willen kämpfte. Er wandte sich voll zu Canning. Durch die halbgeschlossenen Augenlider schickte er einen langen, durchdringenden Blick auf ihn.
Die anderen
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