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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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jedem Dom zu gehören schien. Nichts davon war staubig; ganz offensichtlich setzte überhaupt nichts Staub an in den Domen - dank den Androiden und ihrem unermüdlichen Fleiß.
    Und noch weiter nach unten, durch das offene Labyrinth. Aleytys empfand es als so zermürbend, den Irrgarten zu durchschreiten, daß sie die Veränderungsautomatik nicht eingeschaltet hatte, was ihr den Tadel Shareem einbrachte. Durch die Membran, ohne daß irgendein Detektor sie zu erkennen vermochte.
    In den Kephalos hinein.
    In eine andere Art von Labyrinth. Energetisch aktive Neuronen aus glänzenden Drähten und winzigen Siliziumscheiben. Glitzernde Sensortafeln und das Schimmern von ständigen Elaborationen - sichtbare Gedanken. Auch der Kephalos träumte, summte und sang die Melodien von Problemliedern, nutzte dazu die Segmente seiner enormen Kapazität, die von der Aufgabe, den Dom zu verteidigen und das Haus und den Rest des Anwesens zu überwachen, nicht beansprucht wurden.
    Im Verlauf der letzten vier Tage hatte sich Aleytys an den Aspekt des Kephalos gewöhnt, der mit ihr kommunizierte. Doch das, was sie jetzt wahrnahm, war so komplex, daß sie fast die Orientierung verloren hätte. Harskari kehrte zu ihr zurück und berührte sie am Arm. Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht tropften von ihrer Hand in das Innere der jungen Frau. Sie sah Harskari an und dachte: Ich liebe sie. Sie ist meine wahre Mutter, die Mutter meiner Seele.
    Weiter und immer weiter. Wachsende Faszination angesichts der Größe des Kephalos. Das Gefühl, daß sich eine Persönlichkeit um sie herum verdichtete, die Wahrnehmung eines Kephalos, der mehr war als nur eine komplexe Maschine. Nicht es, aber auch nicht er oder sie.
    Ein Kephalos, der dachte und träumte. Und dann …
    Finsternis, dick, massiv und häßlich.
    Ein Tumor im Hirn.
    Tod, eingefügt in Dunkelheit, abwartend.
    Aleytys fühlte ihn, bevor sie ihn sah.
    Sie wußte Bescheid, bevor sie ihn entdeckte.
    Und als sie ihn sah, durchflutete Furcht ihr Bewußtsein.
    Harskari näherte sich dem Tod, blieb daneben stehen, berührte ihn mit der einen Hand.
    Aleytys schauderte. Fühlte, wie ihr Körper schauderte. Es war, als ertaste sie plötzlich eine Schnecke, etwas Schleimiges und Glitschiges, und unter den Fingerkuppen spürte sie ein lebendiges Pulsieren.
    Der Klang von Harskaris Stimme war wie ein zweiter Schock.
    »Beeil dich, Lee. Sieh dir das Objekt an. Untersuche es. Die Zeit wird knapp.«
    Aleytys mußte sich dazu zwingen, sich dem Ding zu nähern. Sie legte die Hand darauf. Eine holografische Hand, leer und substanzlos. Ließ die Finger darüber hinwegstreichen. Ein schwerer Gegenstand, dunkel und massiv selbst in dieser anderen Existenzebene. Warm und vibrierend. Die Bombe summte leise vor sich hin, ein Geräusch, das eigentlich gar kein Geräusch war, vielmehr etwas, das durch die Schattengestalt Aleytys’ filterte und ihr das Gefühl gab, als sei der Vernichter in beiden Welten real, als verleihe er ihrer Traumprojektion Festigkeit und Masse -obgleich sie wußte, daß Harskari die Jenseitsphase jetzt auf die Hälfte reduzierte, um sie in die Lage zu versetzen, feste Gegenstände der Materiewelt zu manipulieren. Harskaris Hand ruhte warm auf ihrer Schulter, als Aleytys die Bombe untersuchte, die Psi-Detektoren entdeckte und ihre Sensorchips entfernte. Sie fand auch die elektromagnetischen Indikatoren und zog sie ebenfalls aus dem Mechanismus, so daß sie lose neben den Flanken des Sprengkörpers baumelten.
    Nach kurzer Zeit stieß sie auch auf die anderen Sicherheitssysteme und trennte sie ebenfalls vom Zünder, ertastete den inneren Mechanismus der Bombe und nahm das wahr, was sie für den Hauptdetonator hielt. Erneut begann sie damit, den Schaltverbindungen zu folgen. Hitze staute sich in ihr an. Zunächst bemerkte sie gar nichts davon, und anschließend schenkte sie ihr keine Beachtung, obwohl innerhalb kurzer Zeit eine Agonie daraus wurde, die man nicht einfach ignorieren konnte. Trotzdem setzte sie die gefährliche Arbeit mit aller Sorgfalt fort. Harskari leitete einen Teil der sich in ihr ansammelnden Hitze ab, konnte sie jedoch nicht ganz von ihr fernhalten.
    Die Bombe veränderte sich langsam. Vielleicht war es die Hitze, die zu einer Phasenangleichung zwischen Aleytys und dem Sprengkörper führte. Möglicherweise zwangen das Gewicht und der in dem Vernichter wartende Tod die junge Frau in die Realität zurück. Sie brummte Harskari eine kurze Warnung zu, wußte aber nicht, ob das

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