Das Erbe der Vryhh
Diademphantom sie hörte. Sie begann damit, die vielen Fallen im Mechanismus der Bombe zu isolieren, konzentrierte sich allein darauf, spürte, wie ihre Hände Kraft und Gschicklichkeit einbüßten, wie eine Schwerfälligkeit in ihr entstand, die sie einsetzte. Und die Bombe reagierte auf sie, während sie sie zu entschärfen versuchte, machte sich dazu bereit, zu explodieren und zu zerstören. Das Bemühen Aleytys’ war ein Wettlauf mit der Zeit.
Ihre Finger zitterten, und sie schluchzte, fühlte es mehr, als daß sie es hörte, besann sich auf ihre letzten Kraftreserven, entfernte einen Teil des stählernen Mantels, legte ihn zu Boden, zog dann die Komponenten aus dem Innern der Bombe hervor, in der Sequenz, die sie zuvor bestimmt hatte. Inzwischen waren ihre Finger nahezu taub geworden, und jede Bewegung wurde von einem Sinn kontrolliert, der nichts mit optischer Wahrnehmung zu tun hatte. Bis sie schließlich nach dem Zünder griff und ihn mit einer Leichtigkeit aus dem Sprengkörper hervorholte, die Schmerz und Angst zu verspotten schien.
Das Summen der Bombe verklang.
Aleytys fühlte, wie es unter ihren zitternden Fingern erstarb.
Tiefe Erleichterung erfüllte sie, machte sie benommen. Alle Kraft rann aus ihrem Leib, auch aus der Seele.
Harskari umfaßte ihre Schulter und rief: »Willst du dich jetzt etwa aufgeben? Das wäre ein Verrat an mir und auch an Sha-reem.
Bring die Sache zu Ende, oder es war alles umsonst. Hoch mit dir, Lee, sonst droht auch dem Kephalos der Tod. Bring den Zünder weiter weg von der Bombe. Ich schaffe das nicht. Ich bin auch hier nichts weiter als ein Geist. Nur deine Hände sind dazu imstande.
Beweg dich, Lee. Beweg dich!« Die letzten beiden Worte waren ein lautes Schrillen und machten deutlich, daß auch die unerschütterlich wirkende Gelassenheit Harskaris nicht ewig währte. Aleytys erwachte aus ihrer Apathie, setzte zu einer letzten Anstrengung an.
Auf Händen und Knien kroch sie umher, tastete nach dem Zünder, spürte, wie sich einige lose Drähte an ihren Armen zusammenzogen. Einige Sekunden lang verharrte sie und versuchte, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Immer dann, wenn sie glaubte, einen mentalen Fokus herstellen zu können, glitten ihre Gedanken fort. Harskaris Hand senkte sich warm auf ihre Schulter, leitete sie an, tröstete sie. Aleytys zerrte den Zünder mit sich, als sie sich in das elektronische Labyrinth des Kephalos schob, nur daran dachte, Knie und Hände zu bewegen, nicht reglos zu verweilen, sondern ständig in Bewegung zu bleiben. Sie hörte, wie der Zünder über den Boden kratzte, neben ihr an den glitzernden Drähten entlangstrich. Weiter. Weiter. Kein Zeitgefühl mehr. Mit den Knien über den Stahl rutschen. Die Hände heben und wieder senken. Einszwei. Eins-zwei.
Wärme an ihrer Stirn, ein Druck, der Aleytys innehalten ließ.
»Lee. Lee. Lee.« Einige Augenblicke lang verstand sie die Laute nicht. Lee? Oh, mein Name. Ja. Mein Name. Sie hob den Kopf.
»Lee, du kannst dich jetzt ausruhen. Ich beende die Jenseitsphase.
Du hast es geschafft, Lee. Die Gefahr ist vorüber. Entspanne dich.«
Ein Prickeln in ihrem Leib, ein Ziehen und Zerren an ihrem Selbst, ein Feuerblitz, der über ihre Haut hinwegzuckte, eine Pein, die intensiver war als selbst ein schier unerträglicher Schmerz.
Ganz kurz sah Aleytys ein kleines und staubiges Zimmer. Staubig?
Kalter und steinerner Boden. Reale Dunkelheit. Dicht. Fast greifbar. Müdigkeit betäubte ihr Denken. Sie fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Vrithian
Zeugen (3)
Eine Hirtin im Exil/Loppen Var
Mein Name ist Hattra lu Laraynne. Wie du siehst, muß ich mich mit der Gesellschaft von Tieren begnügen. Was für Biester! Mehr Haare als Hirn im Schädel - wie viele Leute, die ich kenne. Die Narben in meinem Gesicht? Brandmale. Oncath auf der rechten Wange, Fath auf der linken. Sie bedeuten Oporlisha Faerenos
Rebellen Verräter. Nun, ich war auch vorher nicht gerade besonders hübsch. Ob ich verbittert bin? Nein, eigentlich nicht. Weißt du, ich habe nur keine Hoffnung mehr, weder für mein Volk noch unsere Heimat. Wie unsere Unsterbliche verkündete, wird es zu keinen Veränderungen kommen. Die Matriarchin verläßt sich darauf. Sie wird weiterhin über uns gebieten und die Herrschaft schließlich auf ihre Tochter übertragen, die gerissen genug ist, um sie irgendwann zu vergiften und auch mit den anderen fertig zu werden, die die Macht beanspruchen mögen. Der T’nink Intet (Tempel des Nichts)
Weitere Kostenlose Bücher