Das Erbe der Vryhh
nicht, das versichere ich dir. Einige der hier anwesenden Männer sind Frauen und Kindern gegenüber nicht ganz so freundlich wie ich.« Ein letztes Lächeln, und dann ging der Ajin. Hinter ihm schloß sich die Tür mit einem leisen pneumatischen Zischen.
Shadith sah sich um und hob die Augenbrauen. Die Taschen mit ihrer Ausrüstung lagen an der Wand neben dem Sofa.
»Sieht so aus, als sei die Touristenführung erst einmal beendet.«
»Hm?«
»Schon gut. Nur ein Scherz.«
Linfyar bewegte die Ohren und drehte sich langsam im Kreis. In seiner Muttersprache sagte er: »Summ-summ, steckt alles voller Wanzen.«
»Die Leute hier würden nicht einmal ihrer eigenen Mutter trauen. Du solltest dich besser nicht darauf verlassen, daß niemand außer mir deinen Dialekt versteht, mein junger und pelziger Freund. Bei deiner Sprache handelt es sich nur um eine von vielen Varianten einer großen Familie. Vielleicht ist sie hier tatsächlich unbekannt. Es wäre jedoch auch denkbar, daß der hiesige Computer über ein Transkriptionsmodul verfügt, und wenn das stimmt, brauchen die Männer sicher nicht lange, um eine Vorstellung davon zu entwickeln, was wir uns mitteilen. Außerdem: Wenn sie zu neugierig werden und zu der Ansicht gelangen, Höflichkeit uns gegenüber sei nicht länger notwendig, so brauchen sie nur einen von uns zu holen und ihn mit einer Psychosonde zu verbinden.«
Linfyar zuckte mit den Schultern und wanderte durchs Zimmer.
Er pfiff dabei im Ultraschallbereich, um sich ein akustisches Bild von der Umgebung zu machen, und seine Nase zuckte. Er setzte alle seine Sinne ein, um das Zimmer zu erforschen. Natürlich bemerkte er auch den Geruch des Essens. Er nahm auf einem der Stühle am Tisch Platz und meinte in der anderen Sprache: »Auf jeden Fall droht uns nicht der Hungertod. Mhmm. Habe ich einen Appetit.«
Shadith lachte leise. »Ich auch, Balg. Bin gleich zurück.« Sie ließ Linfyar, der nun die Speisen beschnupperte, allein zurück und schob sich am Vorhang vorbei.
Ein Schlafzimmer mit einem weiteren Wandschirm, der die gleiche Szene zeigte. Sie war dankbar für die Holofelder, denn sie verliehen der steinernen Umgebung einen erträglichen Aspekt
-obgleich sie vermutete, daß sie gleichzeitig als
Beobachtungsfenster für die Leute des Ajin dienten. Fest preßte sie die eine Hand auf den Schirm und strich darüber hinweg, womit sie ein leises Quietschen erzeugte, und sie belächelte die Bäume und Vögel, die sie nicht berühren konnte. Voyeur, dachte sie, sprach dieses Wort jedoch nicht laut aus. Sie ging um das breite Bett herum und betrat die Hygienezelle. Klein und sauber, mit einem WC, einer Dusche und einem großen Spiegel über der Spüle. Shadith entleerte ihre Blase, zog sich aus, um die Dusche zu benutzen, und ärgerte sich darüber, daß es vermutlich irgendeinen Idioten gab, der sie in diesem Augenblick beobachtete. Sie wollte gerade unter die Dusche treten, als sie sich an die Verbände an Armen und Beinen erinnerte. Sie streifte sie ab und betrachtete die wunde Haut. Nur noch wenige rote Stellen waren übriggeblieben. VOR-sichtig betastete sie ihren Kopf. Keine Schwellungen, keine Krusten. Eine großartige Salbe. Ja, ich bin dir wirklich zu Dank verpflichtet, Po’. Ich wasche das Zeug nur ungern ab, aber ich kann meinen eigenen Gestank nicht länger aushalten. In einer Wandnische der Duschkabine fand sie ein Stück duftender Kräuterseife und lachte, als sie das Wasser aufdrehte und die richtige Temperatur einstellte. Man behandelt uns wirklich gut, ja, wie sehr wichtige Personen. Aber du gehst wie über glühende Kohlen, Schatten. Sei vorsichtig. Du bist nichts weiter als ein besonderer Leckerbissen für den Ajin.
Das heiße Wasser strömte aus dem Deckenkranz, und Shadith sang, genoß das auf sie herabprasselnde Naß, auch den Duft des Seifenschaums, der bald ihren Leib bedeckte. Nachdem sie ihn fortgespült hatte, verweilte sie noch einige Zeit in der Kabine, ließ das heiße Wasser weiterhin auf sich herabströmen. Das Knurren des Magens erinnerte sie schließlich an ihren Hunger, und sie drehte den Öffnungsknauf zu und trat unter der Dusche hervor. Mit einem dicken und weichen Handtuch rieb sie sich so lange ab, bis ihre Haut zu glühen schien, um sich anschließend in einen der Bademäntel zu hüllen, die an Haken neben dem Schrank hingen.
Sie zog den Gürtel zu und kehrte ins Wohnzimmer zurück, summte dabei die Melodie des Liedes vor sich hin, das sie im Bad gesungen
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