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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Seine Ohren bewegten sich. Er strich die Decken fort, hockte sich neben Shadith und lauschte konzentriert. Nach einigen Sekunden erwiderte er: »Die Männer benutzen ein Radar, um sich hier zurechtzufinden. Ich versuche, mich anhand des Piepens zu orientieren.« Erneut kurze Stille. »Weiter voraus neigt sich die Decke der Höhle zur Wasseroberfläche herab«, murmelte der Junge. »Etwa zwanzig Meter. Der Platz reicht gerade für das Boot aus.« Er rutschte unruhig hin und her. »Schatten, es schwimmen Geschöpfe unter uns.«
    »Was für Geschöpfe?«
    »Ich weiß nicht. Große. Und sie reden miteinander, was
    Schmerz in meinen Ohren verursacht.«
    »Komm her, Balg. Achte nicht auf sie.«
    Linfyar faltete die Ohren zusammen und machte es sich auf dem Schoß Shadiths bequem, preßte das Gesicht in das kleine Tal zwischen ihren Brüsten. Sie zog eine Decke heran, und anschließend erweiterte sie ihr Bewußtsein und berührte die Geschöpfe. Gieriger Hunger. Wut. Eine Kraft, die zu primitiv und vage war, als daß sie sich von ihrem Geist hätte kontrollieren lassen. Viel zu gefährlich, um eine mentale Herausforderung zu wagen. »Ich glaube, wir sollten hier besser nicht zu schwimmen versuchen, Linfy«, brummte sie.
    Er antwortete ihr mit einigen leisen Geräuschen, mit einer müden Bewegung von Armen und Beinen. Dann entspannte sich der Junge und schlief wieder ein. Die Finsternis in der Höhle schien sich noch weiter zu verdichten. Die Geschwindigkeit des Bootes reduzierte sich, bis es nur noch ganz langsam gegen die Strömung vorankam. Shadith hörte ein leises Knirschen und Knacken von dort, wo es den in der Schwärze verborgenen Fels berührte.
    Dann war voraus ein Lichtschimmer zu erkennen, ein grünes und goldenes Funkeln, das durch glasklares Wasser filterte. Sie rieb sich die tränenden Augen und seufzte erleichtert, als der massive Fels der Höhlendecke zurückwich.
    Das Boot glitt auf einen runden See, der umgeben war von zerklüfteten Granitwänden. Hier und dort fiel der Blick Shadiths auf grüne Büsche und Sträucher, doch der Kegel des alten Vulkans bestand nur aus brüchigem und fleckigem Gestein, aus Geröllhängen, die sich von den steilen Wällen her bis an die Ufer erstreckten. Einer davon reichte bis ins dunkle Wasser hinein, und erst nach einigen Sekunden stellte Shadith fest, daß es sich dabei um einen getarnten Kai handelte. An der einen Seite gab es einen langen Einschnitt, groß genug, um das Boot aufzunehmen, so daß es von oben nicht mehr zu sehen war. Jenseits der Mole zeigten sich weitere Konstruktionen, Gebäude aus Stein, die an der einen Felswand errichtet worden waren, ebenso mit Geröll getarnt wie der Kai.
    Der Ajin stützte Shadith, als sie aufstand, und mit einem zuvorkommenden Lächeln half er ihr auf die Mole. Dann folgte er ihr und überließ es Linfyar, allein von Bord zu klettern. Armer alter Fanatiker - es wäre sinnlos, jetzt noch zornig auf dich zu werden.
    Was bist du doch für ein idiotischer Narr - begleitest den Feind ins Zentrum deiner Macht. Der Mann legte ihr die Hand auf die Schulter und führte das Mädchen ins größte Gebäude. Die Wände waren nicht ganz so dick, wie Shadith zuvor angenommen hatte, und das bedeutete, sie konnten keinem Bombardement widerstehen - was auch die Tarnung erklärte. Wenn die Pajungg diese Basis des Ajin fanden, würden sie sie einfach ausradieren. Andererseits jedoch: Ein Planet bot viele Versteckmöglichkeiten, selbst dann, wenn es nur um den Teil eines Kontinents ging. Und außerdem verfügten die Pajungg nicht über moderne Orter, um den Rebellenführer zu lokalisieren. Noch nicht. Darüber hinaus fürchteten sie den Wald.
    Keine einheimische Intelligenz auf Avo-sing. Ha! Das behaupteten die Pajungg nur deshalb, um nicht in den Wald vorstoßen zu müssen. Shadith fragte sich, was sie auf den anderen von ihnen besiedelten Welten vorgefunden, was sie dort insgeheim und in aller Stille zerstört hatten. Respekt vor dem
    Leben und den Rechten der Eingeborenen - das war nur der Luxus friedlicher und etablierter Kolonien, von denen einheimische Intelligenzen kulturell absorbiert oder aber vernichtet worden waren. Es sei denn, die Eingeborenen hatten die Macht, sich erfolgreich einer Elimination zu widersetzen. Darauf lief schließlich alles hinaus: auf Macht in der einen oder anderen Form. Wo es kein Gesetz gab, überlebten diejenigen, die stark und klug genug waren, um sich durchzusetzen. Kell und Aleytys - auch auf sie traf das zu.

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