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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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es nicht, Reem. Ich war einfach nicht dazu imstande. Und wenn ich noch einmal auf diese Weise blockiert werde … ich weiß nicht …«
    »Wenn du eine ehrliche Antwort willst, Lee: Von all dem verstehe ich nicht ein einziges Wort. Kell ist kein Mann mehr, sondern ein deformiertes Etwas. Er sollte dir eigentlich dankbar sein, wenn du ihn ins Jenseits schickst.«
    Aleytys fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schob sie hinters Ohr. Sie starrte auf ihre Hand und ließ sie wieder sinken. »Ein deformiertes Etwas? Nein.« Sie schlug auf den Stein der Kamineinfassung. »Nein! Ich darf mich nicht solchen Vorstellungen hingeben.« Sie streckte die Arme aus und drehte langsam die Hände. Ihr Gesicht wurde ausdruckslos und offenbarte keine Anzeichen von Anspannung, die Shareem hätte erkennen können. Aus den Handflächen Aleytys’ leckten die Flammenzungen eines Feuers, das heißer brannte als die Glut hinter ihr, flackerten und schimmerten für einen Sekundenbruchteil und verschwanden wieder im Leib der jungen Frau. »Wenn ich so zu denken beginne, bin ich bald weder besser noch geistig gesünder als Kell. Nein. Ich mache es auf meine Weise. Er läßt mir keine andere Wahl. Aber während ich diese Entscheidung treffe, spüre ich Kummer in mir. Und ich werde nicht einen Augenblick lang vergessen, daß diese Jagd einem Mann gilt, einem intelligenten und fühlenden Wesen.« Aleytys rieb sich die Hände am Stein, blickte in die Leere, runzelte die Stirn und sah an Shareem vorbei.
    Ihre Mutter saß still im Sessel. Es gab nichts, was sie jetzt noch hätte sagen können. Sie empfand die Skrupel ihrer Tochter als absurd. Ihrer Ansicht nach machte es sich Aleytys zu schwer, behinderte sich auf eine Weise, die sich als fatal herausstellen mochte. Shareem hatte auf recht vorsichtige Weise zum Ausdruck gebracht, was sie von der Sache hielt, und die Reaktion Aleytys’
    verwunderte sie. Wenn sie jetzt auf ihrer Meinung beharrte, bestand die Gefahr, daß sich Lee von ihr abwandte.
    Aleytys senkte den Blick und lächelte plötzlich. »Die meiste Zeit während deines Aufenthalts auf Jaydugar hast du die Wahrheit auf Distanz gehalten, nicht wahr? Und dann jener Brief, jener so prächtig doppeldeutige Brief …«
    »Du kennst meine Gründe.« Ein sanfter Protest, den Shareem nicht zurückhalten konnte.
    »Die Wahrheit sollte eigentlich befreien können«, erwiderte Aleytys ruhig und auch ein wenig niedergeschlagen. »Doch das ist nicht immer der Fall, oder?« Sie rutschte langsam an der Wand herunter, bis sie mit überkreuzten Beinen auf dem Kaminsims saß, den Rücken an die warmen Steine gelehnt. »Ich jedoch ziehe die Wahrheit vor, wenn sie mich nicht auf der Stelle umbringt.
    Auf diese Weise wird das Leben ein wenig einfacher. Und wenn man dazu imstande ist. die Wahrheit zu sagen - und damit meine ich die persönliche Wahrheit, nicht die universelle -, so fühlt man sich , . . nun, besser. Ich habe nicht die Absicht, mich damit zu martern, dir gegenüber irgendeine Rolle zu spielen, dir eine Aleytys zu präsentieren, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Die Tochter, die du vor dir siehst, ist die Realität.«
    »Daran zweifle ich nicht.«
    Aleytys lachte, streckte ruckartig die Beine, hob die Arme über den Kopf und ließ sie wieder herunterfallen. »Ich habe Hunger.
    Möchtest du wolfflanische Spezialitäten probieren?«
    »Woraus bestehen die?«
    »Überwiegend aus Fleisch und Backwerk und mit Zuckerguß überzogenem Gemüse. Aber ich kenne da einen Chefkoch, der auch für die hiesigen Verhältnisse exotischere Mahlzeiten zuzubereiten versteht, das Fleisch nicht verkohlen läßt und dich mit einem saftigen Steak erfreuen kann. Was die Hausarbeit angeht, bin ich nicht gerade sonderlich begabt - wenn er zu Hause war, hat sich Grey ums Kochen gekümmert.« Aleytys schwieg einige Sekunden lang, und ihre Wangen wurden blaß. Dann schüttelte sie sich kurz, stand auf und wandte sich vom Kamin ab. »Nun, wenn du Appetit hast, so bleiben uns nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir essen auswärts, oder wir kehren an Bord deines Schiffes zurück. Es sei denn … Ich weiß, einem Gast gegenüber ist ein solches Angebot nicht gerade höflich, aber … Die Küche steht dir zu Verfügung, wenn du dich selbst an die Arbeit machen willst.«
    »Du hast keinen Autoherd? Ich und Küchenarbeit - das würde in einer Katastrophe enden.« Shareem versuchte, ihrer Stimme einen heiteren Tonfall zu

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