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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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konnte.
    »Lee, ich weiß nicht, ob meine Hilfe einen großen Nutzen für dich hätte, wenn die Lage brenzlig wird. Kell hat ein … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Wenn er nahe genug an mich herankommt, bringt er mich dazu, alles zu tun, was er von mir verlangt, ganz gleich, wie sehr ich das auch hasse. In jungen Jahren, damals, als ich kaum mehr war als ein Kind, das gerade seine grundlegende Ausbildung abgeschlossen und das Gefühl hatte, es mit dem ganzen Universum aufnehmen zu können … du weißt schon, was ich meine … nein, vielleicht nicht … Ich … Nun, Kell bekam mich in die Gewalt und brachte mich in seinen Dom. Auch er war damals noch recht jung, gehörte zur gleichen Generation, geboren etwa hundert Jahre vor mir. Und er hatte gerade die Angelegenheit mit der Sterilität entdeckt. Das war ein Schock für ihn. Er hätte sich dieses Problems eigentlich schon früher bewußt werden müssen, als er noch flexibler war, aber das Schicksal spielte ihm einen Streich.
    Pech für ihn. Und ein noch größeres Pech, wenn man an die Art und Weise denkt, wie es ihm klarwurde, im Bett mit einer nicht unbedingt stabilen Vryhh, einer Hure der zweiten Generation, einer gewissen Nallis. Wo bin ich stehengeblieben? O ja - ich war ebenso töricht wie jung. Kell - ein gesunder, attraktiver Mann voller Charme, mit dem er allerdings nicht mehr viel anfangen konnte.«
    Shareem sah auf, strich sich das Haar aus der Stirn und bedachte ihre Tochter mit einem Lächeln, das verdeutlichte, wie schwer es ihr fiel, Aleytys eine Erfahrung zu erklären, die ihr notgedrungen fremd bleiben mußte. »Vielleicht verstehst du nicht, was ich meine, Lee, und ich kann dir auch keinen Vorwurf machen, wenn du mir nicht glaubst, aber . . « Sie breitete die Arme aus, faltete dann die Hände zusammen. »Es ist nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, um dir zu beschreiben, was ich erlebte … All die Dinge, die wir als Strahlen oder Glanz bezeichnen. Kell schimmerte für mich, glühte, brannte - ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, Lee … Er offenbarte mir eine Verletzlichkeit, eine Agonie tief in seinem Innern, einen Schmerz, den ich ihn vergessen lassen konnte. Ich begriff damals nicht, und möglicherweise kam es ihm gerade darauf an. Wir spielten auf dem Angesicht Vrithians, liefen mit der Sonne, mit den Monden, Sieben-Meilen-Stiefel an den Füßen, Schwingen auf den Rücken … Es wäre sicher anders gewesen, wenn ich gewußt hätte, was mit ihm los war, aber ich … ich hatte keine Ahnung … Und als ich später überlegte, wie ich ihm helfen könnte, fiel mir nichts ein.
    Als er zu mir kam, um mich in seinen Dom zu bringen, warnte mich meine Mutter und forderte mich auf, ihn nicht zu begleiten.
    Doch ich hörte nicht auf sie. Sie meinte, dort könne mir niemand helfen. Ich gab nichts auf ihre Worte. Jahre waren verstrichen, während wir zusammen spielten. Du kannst dir vermutlich nicht vorstellen, wie es ist, jung zu sein und zu wissen, daß man Jahrtausende Zeit hat. Es gibt keinen Grund dafür, irgend etwas zu übereilen. Wenn man an gewissen Dingen Gefallen findet, so erhält man sie. Sie müssen einfach von Bestand sein. Jahre vergehen, und Kell veränderte sich, ohne daß ich etwas davon bemerkte. Manchmal bekam ich ihn längere Zeit nicht zu Gesicht. Und dann wieder trafen wir uns.« Shareem tastete mit der einen Hand umher, fand ein faltiges Kunstfasertuch, wischte sich damit durchs Gesicht, zerriß es anschließend und fuhr fort:
    »Als er nicht bei mir war, fand ich heraus, was er machte. Es war eine Entdeckung, die mir Entsetzen bereitete. In seinem Dom hatte er einen ganzen Harem von Frauen, Vrithli, sogar weibliche Reptilien - obgleich es mir ein Rätsel ist, was er mit ihnen zu erreichen hoffte. Ja, Frauen unterschiedlicher Rassen von außerhalb der Wolke. Sein Heim war wie ein Zoo, und das kannst du ruhig wörtlich verstehen, Lee: Er hielt sie in Käfigen. Mit einigen kopulierte er; andere benutzte er für seine Experimente. Wahrscheinlich hoffte er darauf, irgendwann eine Art von Wundermittel herstellen zu können, von dem er Heilung erwartete. Ja, er war der Ansicht, er litte an irgendeiner gräßlichen Krankheit. Keine meiner Bemerkungen oder Handlungen vermochte daran etwas zu ändern, nicht einmal, als er begriff, was mit ihm los war. Ich versuchte, ihn zu verlassen … ich wollte kein Teil seines Zoos werden. Aber Kell ließ mich nicht gehen. Mit keiner der Frauen hatte er ein Kind gezeugt;

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