Das Erbe des Bösen
umzubringen«, sagte Katja auf Finnisch. Ihr Gesichtsausdruck war erstaunlich gelassen, nur die Augen verrieten Erik ihre Angst. Er war unfassbar stolz auf seine Frau – jeder andere Mensch wäre an Katjas Stelle längst durchgedreht.
»Katja«, sagte er so fest, wie er nur konnte, »es wird sich alles regeln, irgendwie.« Dann drückte er sie an sich.
Als er die fremde Sprache hörte, blickte der Fahrer über den Spiegel nach hinten, aber er reagierte nicht weiter, sondern nahm trotz der rasenden Geschwindigkeit sein klingelndes Handy, meldete sich und hörte eine Weile zu. Seine Gleichgültigkeit war Besorgnis erregend, es war, als seien Katja und Erik für ihn gar nicht mehr existent. Nach dem Telefongespräch bremste der Mann scharf und bog so abrupt nach links ab, dass Erik mit dem Kopf gegen das Seitenfenster schlug.
»Hören Sie mir genau zu«, rief der Amerikaner plötzlich Erik zu und beschleunigte wieder. »Am Rand vom St. James-Park, ganz in der Nähe von Downing Street, steht ein Auto von der Firma
Enviromental Maintenance Services
, die für die technischen Anlagen in den Parks zuständig ist. Könnte das der Text sein, den Sie über der Stoßstange des Lieferwagens in der Garage der Terroristen gesehen haben?«
»Ja, das könnte durchaus sein . . .«
Der Amerikaner drückte wieder lang auf die Hupe und bog |484| noch mal nach links ab. Nach einigen hundert Metern sah man rechts die Westminster Bridge. Wegen des stehenden Verkehrs fuhr der Amerikaner auf dem Gehweg weiter. »Nach der Kreuzung dort müsste man das Fahrzeug auf der rechten Seite sehen. Das Bombenräumkommando ist schon unterwegs . . .«
Der Fahrer bremste, denn auf der Straße stand quer ein Zivilfahrzeug der Polizei mit blinkendem Blaulicht. Der Amerikaner machte das Fenster auf und zeigte dem bewaffneten Mann in Zivil eine laminierte Karte. Der Mann trug um den Oberarm ein Band mit der Aufschrift POLICE.
»Wir haben von der Zentrale die Anweisung erhalten, das Fahrzeug zu identifizieren.«
»Halten Sie an der ersten Parkzufahrt an, von dort ist der Wagen zu sehen. Und entfernen Sie sich dann unverzüglich, wir haben Befehl, eine Schutzzone der Kategorie fünf noch vor dem Eintreffen des Bombenräumkommandos einzurichten.«
»Keine Angst, wir bleiben nicht eine Sekunde länger als nötig«, gab der Fahrer zurück und trat aufs Gas.
Das Motorengeräusch ging im Lärm eines herannahenden Hubschraubers unter, dessen Echo von den prächtigen, reich verzierten weißen Fassaden ringsum widerhallte. Erik und Katja stießen gegeneinander, als der Van über die hohe Bordsteinkante vom Gehweg auf die Fahrbahn wechselte.
»Stop! Nicht näher heran!«, rief jemand per Megaphon, aber der Fahrer gab weiter Gas. Innerhalb der abgesperrten Zone war es gespenstisch leer. Auf dem roten Belag der breiten Horse Guards Road fuhr kein einziges Auto, auf den Bürgersteigen und den Wegen zum Park war nicht ein Mensch zu sehen. Nur der hinter ihnen landende Hubschrauber wirbelte Staub und Blätter auf.
Erik nahm das Dröhnen des Helikopters kaum wahr, seine gesamte Aufmerksamkeit war auf den dunkelgrünen Kleinlieferwagen gerichtet, der gegenüber dem Finanzministerium am Straßenrand stand.
Der Fahrer hielt an und deutete mit der Hand darauf. »Dort, der dunkelgrüne . . .«
|485| »Ich sehe ihn. Aber ich muss näher ran.«
Erik öffnete die Tür. Das Dröhnen des Helikopters, der gerade den Boden berührte, ließ ihn am ganzen Körper erzittern. Er stieg aus, den Blick noch immer auf das Heck des dunkelgrünen Wagens gerichtet, der dort mit laufendem Motor stand.
»Bleiben Sie stehen«, schrie der Fahrer und folgte Erik.
Der Luftstrom der Rotorblätter zerzauste Erik das Haar und blies ihm Sand ins Gesicht. Er machte ein paar vorsichtige Schritte und rieb sich die Augen. »Das ist der Wagen. Zumindest sieht er genau so aus.«
David Stone drängte mit den anderen aus dem Lageraum der Residenz des Premierministers ins Freie. Draußen heulten Sirenen, und das Dröhnen eines landenden Hubschraubers war zu hören. In der Horse Guards Road war am Rand des St. James-Parks, in unmittelbarer Nähe zu Downing Street, ein verdächtiges Fahrzeug ausgemacht worden, das vom Roboter des Sprengkommandos umgehend untersucht werden sollte. Da der Wagen so nahe an der Residenz des Premiers stand, hatte man beschlossen, das gesamte Viertel unverzüglich zu evakuieren.
»Schneller bitte«, rief ein Ermittler von Scotland Yard in Zivil und winkte dabei. Stone
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