Das Erbe des Bösen
explodieren.
Katja hörte hinter sich ein markerschütterndes Kreischen, sie drehte sich um und sah Charlie über das Parkett laufen und durch das Fenster in den Garten springen. Katja nahm den Kerzenständer vom langen Esstisch und schlug damit schnell die noch verbliebenen Glasstücke aus dem Fensterrahmen. Dann umfasste sie Erik so gut es ging und schaffte es tatsächlich, ihn hochzuheben.
Sobald sie Erik durch das Fenster befördert und auf den Rasen |476| gewälzt hatte, drehte sie sich wieder um, aber die Hitze schlug ihr schmerzhaft ins Gesicht. Sie ging in die Hocke, packte Ingrid und zog sie über die Glasscherben bis unmittelbar ans Fenster heran. Mit letzter Kraft hievte sie auch ihre Schwiegermutter nach draußen und sprang selbst hinterher ins Freie.
Im Blumenbeet ließ sich Katja zu Boden sinken und schnappte nach Luft. Aber sofort zwang sie sich, wieder aufzustehen. Sie zog erst Erik, dann Ingrid noch ein Stück weiter vom Haus weg. Erst danach ließ sie sich völlig erschöpft neben Erik auf der Erde nieder und tastete nach dem Pulsschlag am Hals ihres Mannes. Ein unkontrollierbares Zittern erfasste all ihre Glieder. Dann spürte sie ein leichtes Puckern der Halsschlagader. Aus dem zertrümmerten Fenster schlugen die Flammen.
»Was ist passiert? Ist noch jemand im Haus?«
Zunächst begriff Katja nicht. Sie drehte sich um und sah einen fremden Mann hinter sich.
Er beugte sich über sie und sah besorgt auf Erik und Ingrid.
»Ist noch jemand drin?«, wiederholte der Mann seine Frage.
»Wir müssen sie noch weiter vom Haus wegschaffen«, sagte Katja und packte Ingrid, die ja so viel leichter war.
Der Mann griff nach Erik und fragte noch einmal: »Antworten Sie mir, ist noch jemand im Haus?«
»Nein«, fuhr Katja ihn an und zog Ingrid auf den Rasen neben der Einfahrt. Sie würde jetzt nichts von der Leiche sagen, die noch im Haus lag. Der Rauch reizte noch immer ihre Atemwege, sie hustete, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Dann fühlte sie Ingrids Puls. Ingrid lebte, war aber weiterhin bewusstlos.
»Rufen Sie doch einen Krankenwagen!«, rief sie dem Mann zu.
Im selben Moment verstummte sie: Erik bewegte sich. Katja stürzte auf den Rasen zu ihrem Mann.
»Katja«, sagte Erik schwach. »Alles in Ordnung?«
Katja nickte und spürte, wie Angst und Erleichterung zugleich ihr die Kehle zuschnürten. Dann drückte sie ihren Kopf an Eriks Hals.
»Und Mutter?«
|477| »Ingrid ist bewusstlos«, brachte Katja mit Mühe heraus.
Der fremde Mann neben ihnen beendete sein kurzes Telefonat.
»Ich bringe Sie ins Krankenhaus, das geht schneller, als auf den Krankenwagen zu warten. Die Feuerwehr ist alarmiert. Aber das Haus wird nicht mehr zu retten sein.«
Katja nickte und stand auf. Der Mann half erst Erik in den Van, dann klappte er die hinteren Sitze um, damit Ingrid darauf liegen konnte.
Der Wagen setzte sich in Bewegung und passierte die Schaulustigen, die sich inzwischen versammelt hatten und entsetzt auf die hohen Flammen starrten, die aus dem Haus schlugen.
Erik lehnte erschöpft den Kopf gegen die Nackenstütze.
»Wasser«, bat er.
Der Mann nahm eine Flasche Mineralwasser aus der Mittelkonsole. Katja hielt sie ihrem Mann an die Lippen.
»Was ist passiert?«, fragte Erik mühsam.
»Wir reden im Krankenhaus. Jetzt ruh dich erst mal aus.«
Plötzlich versuchte Erik sich aufzurichten. »Ausruhen? Sie haben die Bombe . . .«
Der Fahrer schaute über den Spiegel nach hinten. »Was sagen Sie da?«
Erst da fiel Katja etwas auf, was sie bis dahin nicht beachtet hatte. Der Mann sprach mit amerikanischem Akzent.
Erik hielt sich vor Schmerzen den Kopf. »Wir müssen die Polizei verständigen«, sagte er mit Nachdruck. »Die Terroristen haben einen Rollstuhl mit Elektromotorr, ich glaube, dass die Bombe darin versteckt ist . . . oder im Auto, in so einem dunkelgrünen Kleinlieferwagen mit zwei Sitzen . . .«
»Welche Automarke?«, fragte der Mann und sah Erik aufmerksam durch den Rückspiegel an.
»Ich weiß es nicht, vielleicht Citroën oder Vauxhall oder so etwas.«
Der Mann nahm eine Hand vom Steuer, griff nach seinem Telefon und drückte eine einzige Taste.
|478| »Mr. Narva meint, die Bombe könnte in einem elektrischen Rollstuhl oder in einem dunkelgrünen Kleinlieferwagen sein.«
Erik und Katja sahen einander entsetzt an. Wer war der Mann? Woher kannte er Eriks Namen?
»Wo bist du?«, redete der Mann weiter in sein Mobiltelefon.
»Im Bereitschaftszentrum von Scotland
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