Das Erbe des Greifen
dagegen, wenn ich Euch begleite?«, fragte Lamar höflich.
»Warum sollte ich?«, kam die Antwort. »Und ein wenig frische Luft wird auch Euch nicht schaden.«
Die Botschaft des Herolds
Es war mittlerweile Nacht geworden, sternenklar und hell, denn beide Monde standen hoch am Himmel. Draußen an dem großen Brunnen wartete eine Gruppe von Leuten, die er im Laufe des Tages bereits im Gasthof gesehen hatte. Einer von ihnen, groß und breitschultrig und mit schlohweißem Haar, musterte den Gesandten nachdenklich. Eine junge Frau schmiegte sich an ihn. Sie war klein und zierlich und lächelte, als sie Lamars Blick einfing. Neben ihr standen drei weitere Frauen, eine junge, die Lamar irgendwie bekannt vorkam, und zwei ältere Frauen, deren noch volles weißes Haar hier und da rote oder blonde Strähnen enthielten. Auf dem Brunnenrand saß ein hagerer Mann mittleren Alters, der sich mit einer rothaarigen Schönheit unterhielt. Ihr Alter konnte Lamar nur schwer einschätzen.
Auch die anderen blickten auf und musterten den Gesandten, als er mit dem alten Mann an den Brunnen herantrat, der von Laternen erleuchtet war.
Lamar fragte sich, ob er diese Leute nicht doch schon kannte. War es möglich, dass sie … nein, für Garrets Freunde sahen sie ihm zu wenig nach Helden aus. Es war einfach eine Gruppe alter Bekannter, die sich an einem Brunnen getroffen hatte. Kein Bogen oder Schwert und keine mächtige Axt waren zu sehen, und dennoch … die direkte Art, mit der sie ihn betrachteten, beeindruckte ihn.
»Ihr seid jünger, als ich dachte«, sagte nun die junge Frau, die sich an den alten Mann schmiegte. Ihr Lächeln war offen und freundlich.
Der Gesandte überlegte noch, was er ihr erwidern könnte, da erklang das Geräusch von galoppierenden Hufen. Sie alle sahen hinüber zum Ortseingang, von wo ein Reiter in der hellen Tracht eines königlichen Herolds auf einem schweißbedecktem Pferd heranritt. Kurz vor dem Brunnen zügelte er das erschöpfte Tier und sah die Versammelten an.
»Ich suche einen Lamar di Aggio!«, rief der Herold, während er sich aus dem Sattel gleiten ließ. Er drückte die Zügel des müden Tiers dem nächsten Besten in die Hand; es war der Geschichtenerzähler, der etwas verblüfft auf die Lederriemen in seiner Hand herabsah. »Könnt Ihr mir sagen, wo ich ihn finde?«
»Er steht vor Euch, Herold«, antwortete Lamar. »Ist etwas geschehen?«
»Der König ist tot«, antwortete der Herold knapp. »Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich Euch suche. Der Prinz befiehlt Euch, ihm und siebzehn seiner engsten Berater in diesem Dorf Quartier zu beschaffen. Ihr dürft ihn übermorgen erwarten.«
»Dafür reitet Ihr ein Pferd zu Schanden?«, fragte der alte Mann und schüttelte verständnislos den Kopf. »Hier, nehmt sie selbst«, sagte er und drückte dem Herold die Zügel wieder in die Hand. »Dort im Gasthof findet Ihr einen Stall, und sobald Ihr Euer Pferd versorgt habt, werdet Ihr auch Speise, Trank und Unterkunft erhalten. Und nun geht.«
Diesmal war es der Herold, der verblüfft dreinsah.
»Nun geht schon!«, sagte der alte Mann schroff. »Ihr stört ein wenig.«
Zu Lamars Überraschung gehorchte der Herold und brachte sein Pferd hinüber zum Stall des Gasthofs.
»Das war nicht sehr nett von dir«, meinte die junge Frau, die zuvor das Wort an den Gesandten gerichtet hatte.
Der alte Mann zuckte die Schultern. »Er hat mich gestört«, erklärte er und suchte nach seiner Pfeife.
»Na, wenn es so ist«, erwiderte sie und wandte sich wieder an Lamar.
»Ich sehe, Ihr habt mich nicht erkannt«, sagte sie lächelnd. »Ich bin Sera Sineale, wir hatten bereits das Vergnügen.«
»Ihr … Ihr seid der Paladin des Königs! Ohne Eure Rüstung …«, stammelte Lamar und hätte sich für seine Ungeschicklichkeit am liebsten auf die Zunge gebissen. »Ich meine … Nestrok, nein, das Kleid, ich …«
Die anderen schmunzelten, und Lamar wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken.
»Schon gut, Ser Lamar«, beruhigte ihn die junge Frau. »Ich bin nicht in offiziellem Auftrag hier, auch wenn ich die Nachricht vom Tod Eures Vaters noch vor dem Herold kannte. Ich hätte es Euch schonender beigebracht als dieser Flegel dort. Aber ich wollte auf einen passenderen Moment warten. Ich bedaure Euren Verlust.«
»Er ruht friedlich in den Händen der Göttin«, sagte die andere junge Frau voller Überzeugung. »Trauert um ihn, Freund Lamar, aber seid Euch gewiss, dass es ihm gut ergeht.«
Lamar riss
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