Das Erbe des Loewen
die ver-bliebenen Ängste zu vertreiben. Noch war er nicht geschlagen. Er hatte sein Pferd, sein Schwert und Jahre der Erfahrung, es zu gebrauchen. Solange noch ein Atemzug in seinem Körper war, wollte er kämpfen. Und er würde gewinnen.
Als ob er die Entschlossenheit seines Herren spürte, galoppierte Rath vorbei an den Gehöften das Tal entlang. Als sie Stratheas erreichten, fand er nur frische Hufspuren im moosigen Ufer des Loch.
Trotz der Eile hielt Kieran an, um Rath trinken zu lassen. Dann nahm er von seinem Beutel am Gürtel den Schlüssel, den Laurel ihm zuvor gegeben hatte, öffnete die Ausfallspforte und spähte vorsichtig ins Innere. Alles war still und dunkel.
Vor ihm wieherte ein Pferd. Kieran wandte sich sofort um und legte seine Hand auf Raths breite Nase. „Ssch.“ Die Nüstern des Hengstes bebten, seine Ohren zuckten, doch er gab keinen Laut von sich.
Kieran ließ Raths Zügel los und befahl seinem Hengst, stehen zu bleiben. Dann durchquerte er mit raschen Schritten den Burghof. Kälte drang durch seine wollene Tunika, doch er spürte sie kaum. Durch die geöffnete Tür hörte er jemanden in der Dunkelheit rumoren. Seine Faust umklammerte das Heft des Schwertes. Er wartete, dass Licht aufflammte, dann spähte er um die Ecke.
Das verdammte Pferd stand ihm im Weg. Unter dem Bauch des Tiers hindurch sah Kieran ein Paar gestiefelter Füße, die ans äußerste Ende des Raumes schritten und den Keil wegstießen, den er unter die Tür zum Gang gesteckt hatte. Fels knirschte auf Fels. Der Klang hallte in dem niederen Kuhstall wider, als der Mauerteil sich öffnete. Dann kehrte der Verräter zu seinem Pferd zurück und nahm die Zügel. „Komm, wir müssen uns beeilen“, bat eine sanfte Stimme.
Laurels Stimme.
Von Entsetzen getrieben trat Kieran hervor. „Laurel?“ rief er.
Sie wandte sich mit weit aufgerissenen Augen um. „Kieran, was tust du hier?“
„Ich folgte dir. Wohin willst du so spät und allein?“
Sie ließ die Zügel fallen. Die Fackel in ihrer Hand flackerte und verzerrte die Schatten an der Mauer. „Ich will die Wahrheit herausfinden.“
„Willst du Ross aufsuchen?“ Als sie auf seine Frage nicht antwortete, rief er: „Du gehst wirklich zu ihm. Ich kann es nicht glauben. Zuerst Rhys, und nun du. Hat sich die ganze
Welt gegen mich verschworen?“
„Kieran. Ich ...“
Er schnitt ihr das Wort mit einem Fluch ab. „Wo ist Ross? Wie viele Männer hat er bei sich?“
„Zweihundert, wie deine Groß...“
„Zweihundert! Verdammte Hölle, er will über uns herfallen.“ „Er ist nicht gekommen, um dich zu bekämpfen, Kieran. Er möchte Frieden schließen.“
„Er will mich töten. Und du willst ihm dabei helfen. Bei Gott, wie kannst du?“ schrie er. „Du hast mich belogen. Du behauptetest, mich zu lieben, doch während der ganzen Zeit hast du dich gegen mich verschworen.“
„Du wagst es, mich des Verrates zu beschuldigen? Vor weniger als einer Stunde hast du Rhys gestanden, dass du dich mit mir nur vermähltest, um Zugang zum Geheimgang zu erlangen.“
„Hat er dir das erzählt?“ fragte Kieran in sichtlicher Verwirrung. Nein, das war unmöglich.
„Du selbst hast es mir gesagt.“ Ihr Gesicht wurde aschfahl, ihre Augen funkelten im Fackelschein. „Ich war besorgt, als ich dich nicht finden konnte, und benutzte meine verfluchte Gabe, um nach dir zu suchen. Ich sah, wie du mit Rhys hadertest. Ich hörte, was du sagtest. Du bist noch schlimmer als Aulay. Er hat wenigstens niemals vorgegeben, etwas für mich zu empfinden. “ Kieran schrak zurück. Gleichgültig, was sie getan hatte, er konnte es nicht zulassen, dass sie dachte, er hätte für sie nichts empfunden. „Es ist wahr, dass ich der Vermählung zustimmte, weil das Tal für meine Zwecke günstig lag, doch nun weiß ich, dass ich dich liebe.“
Er liebt mich. Laurel betrachtete ihn eingehend im flackernden Schein der Fackel und sah den Schmerz und die Verzweiflung in seinem Gesicht ... und Liebe. „Und ich liebe dich, Kieran.“ Sie hob die Hand. „Komm mit mir, zusammen ...“ „Laurel, Vorsicht, hinter dir“, schrie Kieran entsetzt.
Sie wandte sich um, als ein kräftiger Arm aus der Dunkelheit nach ihr griff. „Kieran!“ rief sie und ließ die Fackel fallen, als sie versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien. Im zuckenden Licht sah sie, wie Kieran vorwärts sprang. Der Griff um sie wurde fester, und sie spürte eine kalte Klinge an ihrer Kehle.
„Du“, rief Kieran atemlos, die Augen
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