Das Erbe des Loewen
loszuwerden.
Laurel war gefährlicher als jeder Feind, dem er bisher gegenübergestanden hatte. Ihre Waffen waren diejenigen, die er nie zu bekämpfen gelernt hatte. Sanftmut. Mitgefühl. Vielleicht begehrte er sie so sehr, weil sie das erste weibliche Wesen war, dem er sich näherte, seit er Carmichael verlassen hatte.
Laurel spürte genau, wenn Kierans Stimmung sich von Glückseligkeit in Grimm verwandelte. Dann presste er die Lippen zusammen, das Leuchten seiner Augen wich, und er wandte sich von ihr ab. Doch ihr Wille geriet nicht ins Wanken. Sie machte Fortschritte, wenn auch langsam. „Wenn du nun alles hast, überlasse ich dich jetzt deinem Bad.“
Kieran knurrte.
So sind wir wieder dabei angelangt. Laurel ging um den Wandschirm herum und setzte sich an den Rand des Bettes. Im Gemach war es still bis auf das Knistern des Feuers.
„Du bist noch nicht gegangen“, sagte er.
„Ich muss den Verband von deiner Schulter nehmen“, fuhr sie ihn an.
„Das kann ich selbst tun.“
„Gut. Macht ihn nass, Sir Sittsamkeit. Ich werde hinuntergehen und meinen Arzneikasten holen, doch ich komme zurück. Du wirst diesen Raum nicht verlassen, bis deine Wunden gesäubert und frisch verbunden sind.“
„Tyrannin“, sagte Kieran, als die Tür hinter ihr zuschlug. Er lächelte zum zweiten Mal an diesem Nachmittag. Sein Lächeln vertiefte sich, als er in das heiße Wasser eintauchte und sich im Zuber entspannt zurücklehnte. Daran könnte ich mich gewöhnen, dachte er und führte den Becher an die Lippen. Er machte einen langen Zug und betrachtete den Dampf, der vom Wasser aufstieg. Ja, er könnte sich daran gewöhnen, dass am Ende eines Tages in seinen Gemächern ein heißes Bad und ein kühles Ale auf ihn warteten. Sich daran gewöhnen, nach Hause zu kommen und mit einem Lächeln und einer aufrichtigen Sorge um seine Gesundheit und sein Wohlergehen begrüßt zu werden.
Nein. Kieran spritzte sich Wasser ins Gesicht, dann schüttelte er die Tropfen ab. Es fiel schwer, alte Gewohnheiten abzulegen. Zur Hölle damit. Er durfte diesem Verlangen nicht nachgeben. Ein Riss in seinem Schutzwall, und er würde den Weg, den er gehen wollte, vielleicht nicht mehr gehen.
Das lenkte seine Gedanken auf den morgigen Tag. Wenn er seinem Verlangen nachgab und mit Laurel das Bett teilte, könnte ihn diese Vereinigung von seinem Ziel ablenken?
11. KAPITEL
Damit die Männer während der Abendstunden ihre Posten nicht verlassen mussten, fanden die Hochzeitsfeierlichkeiten am frühen Nachmittag statt. Obwohl sie noch Stunden für die Vorbereitungen hatte, war Laurel schon auf und stand am Fenster ihres Gemaches, um zu sehen, wie die Sonne über den in der Ferne liegenden Bergen aufging und die grauen Felsen in Gold und Rosa tauchte.
Ist die Braut glücklich, scheint die Sonne, lautete ein altes Sprichwort. So, wie die Dinge zwischen ihr und Kieran lagen, konnte sie jedes gute Omen brauchen. Um diese Zeit am nächsten Morgen würde alles vorüber sein. Die Vermählung und die Hochzeitsnacht. Wie wohl unser erstes Zusammensein sein wird? fragte sie sich, denn Erregung mischte sich mit Besorgnis. Unter seinem selbstsicheren Äußeren verbargen sich Gefühle wie Leidenschaft, Begierde, Schmerz und auch Angst. Obgleich er es nicht zugab, fürchtete Kieran all die Dinge, die sie suchte ... Liebe, Verbundenheit, Vertrauen. Eine Familie.
Könnte er sie lieben, wie sie ihn liebte? Zuerst musste sie die Schmerzen, die seine Familie verursacht hatte, ungeschehen machen und ihn lehren, wieder Vertrauen zu schöpfen.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie herumfahren, und sie sah ihre Tante Nesta mit einem Speisebrett in den Händen eintreten. „Ich befürchtete, dass du nicht schlafen kannst.“
„Es geht mir wirklich gut.“ Laurel eilte zum Kamin und entfernte ihren Nähkorb von dem Tisch neben dem Stuhl. „Ich bin sogleich zu Bett gegangen, nachdem ich Kierans Surkot fertig gestellt hatte.“
„Hoffentlich haben dich keine Träume verstört.“ Nesta stellte das Brett ab und lächelte. „Du brauchst deine Ruhe.“
Laurel schüttelte den Kopf. Sie war enttäuscht, denn sie war zu Bett gegangen in der Hoffnung auf eine Vision. Auf einen Hinweis, was die Zukunft brächte.
„Oh, Liebste.“ Sie ergriff Laurels Hände. „Wenn du dich nicht mit ihm vermählen möchtest, musst du es nur sagen, und wir werden einen anderen Weg finden ... “
„Nein. Ich möchte die Seine werden. Es ist bloß ... Oh, Tante Nessie, wenn ich ihn doch besser
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