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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ausgeübt hatte, war beunruhigend und erfrischend zugleich gewesen. Er sah sie wieder vor sich, mit ihrem kleinen, sinnlichen Körper und ihrer ungeheuren Lebenslust. Sie hatte ihren Genuß an der körperlichen Liebe nie vor ihm verborgen. Ihn, der mit einer Frau verheiratet war, für die der Geschlechtsakt eher eine lästige Pflicht als ein Vergnügen war, hatte es anfangs schockiert, daß eine Frau so schamlos sein konnte, so unverhüllt fordernd. Aber der Schock war schnell Stolz gewichen. Er hatte sich mächtig gefühlt und, ja, männlich, wenn Betty Hesketh in seinen Armen vor Lust aufgeschrien hatte. Sie hatten auf Wiesen, in Heuschobern und (er konnte noch Evelyns anklagende Stimme hören) auf dem Rücksitz seines Wagens kopuliert. Einmal hatte er in der kleinen Teeküche des Gemeindesaals den Geschlechtsakt im Stehen mit ihr ausgeübt.
    Betty Hesketh war eine Frau gewesen, die sich nicht an Regeln gehalten hatte. Er war völlig in ihrem Bann gewesen, hatte alles getan, was sie von ihm verlangt hatte. Für sie hatte der Reiz dieser Beziehung, wie er später vermutete, zum Teil wohl darin gelegen, den selbstgerechten, hochmütigen Osborne Daubeny mit Stroh im Haar oder heruntergelassener Hose zu sehen, wenn er ihr zum Zischen des Kessels und dem fernen Klang diskutierender Stimmen keuchend seine Liebe beteuerte.
    Nicht er, sondern Betty hatte die Affäre beendet. »Ich bin schwanger«, hatte sie ihm eines Nachmittags mitgeteilt, »und ich denke, das Kind ist von dir, Osborne.« Er hatte ihr angeboten, ihr eine kleine Wohnung in London zu kaufen, und von berauschenden Besuchen in irgendeinem geheimen Liebesnest geträumt. Aber sie hatte abgelehnt. Sie wolle ihn nicht wiedersehen, hatte sie gesagt; das Kind würde sie als das ihres Mannes aufziehen. Er hatte protestiert; er bete sie an, hatte er geschworen. Nein, das tust du nicht, hatte sie mit kühlem Blick entgegnet. Du begehrst mich. Und das ist was anderes. Außerdem habe ich immer nur einen Mann geliebt, und das ist Archie. Ich werde ihn niemals verlassen.
    Danach war die Affäre langsam in der Vergangenheit untergegangen. Nur gelegentlich hatte er sich mit einer Mischung aus Scham und Ungläubigkeit über seinen Leichtsinn daran erinnert. Anfangs hatte er sich kaum für seinen Sohn interessiert. Milde Neugier hatte ihn veranlaßt, einen Blick in den Kinderwagen zu werfen, wenn er den Heskeths auf der Straße begegnete. Allmählich aber, als der Junge älter geworden war, hatte er sich selbst in seinen Zügen wiedererkennen können, und da keines seiner Kinder mit Evelyn am Leben geblieben war, hatte sich bei ihm eine unerwartete Zuneigung, ja eine Sehnsucht entwickelt sowie Stolz darauf, daß er fähig war, einen gesunden Sohn zu zeugen. Der Gedanke, daß sein Kind in einem schmutzigen kleinen Arbeiterhaus in den Gassen von Swanton le Marsh aufwachsen sollte, war ihm unerträglich gewesen. Er hatte es nicht gewagt, eine Renovierung des Häuschens vorzuschlagen; das hätte Verdacht wecken können. Im übrigen hatte das Gut Ende der dreißiger Jahre bereits in ernsten finanziellen Schwierigkeiten gesteckt.
    Seine Chance war nach Archie Heskeths Tod gekommen. Da schien es nur anständig und menschlich, Middlemere an die Witwe mit dem Kind zu vermieten und, bald darauf, Betty zu helfen, eine geeignete Schule für den Jungen zu finden. Anständig und menschlich. Caleb Hesketh hatte es nicht so gesehen. Selbst jetzt noch erinnerte er sich der Verachtung im Blick des Jungen. Ich habe es für dich getan , hatte er an dem Tag gesagt, an dem Caleb entdeckt hatte, daß er sein Vater war.
    Ich wollte, daß du in einem anständigen Zuhause groß wirst. Es war doch nichts Schlechtes daran, dir ein gutes Zuhause zu schaffen? Es war doch nichts Schlechtes daran, euch Middlemere zu geben?
    Middlemere … Osborne erinnerte sich seines Entsetzens an dem Tag, als er gehört hatte, daß Sam Cole das Gewehr gegen sich selbst gerichtet hatte. Seither hatte die Schuld ihn nicht mehr losgelassen, war zu einem Teil von ihm geworden wie die Flechten auf dem Marmor. Warum hatte er die Coles vertrieben? Jetzt, da ihm nur noch so wenig Zeit blieb, konnte er endlich die Wahrheit eingestehen. Es wäre vielleicht eher verzeihlich gewesen, wenn er getan hätte, was Evelyn ihm vorgeworfen und was er Caleb erzählt hatte: wenn er Cole und seine Familie aus dem Haus gewiesen hätte, um seiner einstigen Geliebten und seinem einzigen Kind ein anständiges Zuhause zu geben. Wenn Leidenschaft die

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