Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
genoss es, selbst in Tarkur zu residieren und dort den Herrscher zu geben. Wenn das Heer eintraf, würde er Norun nicht seine eigenen Gemächer zur Verfügung stellen, beschloss er. Diesem wollte er andere Räumlichkeiten zuweisen. In seine eigene Wohnstadt hatte er inzwischen schon zu viel Arbeit gesteckt und sich viele kleine und große Kunstwerke anfertigen lassen, die die Räume schmückten.
Als Asgoth mit seiner Schar seine Schritte wieder gen Norden lenkte, vergaß er schnell seine Überlegungen, die den Verzicht Anarons auf eine angemessene Residenz betrafen. Diesen Fehler würde er noch bereuen. Nie hatte er auch nur ein einziges Mal darüber nachgedacht, dass er sich mehr aneignete, als ihm zustand. In seinem Blick auf sein Volk und den Orden blendete er die wahren Machtverhältnisse der neuen Welt völlig aus. Asgoth war viel zu kleingläubig und nicht imstande, die großen Zusammenhänge zu erkennen, denen er vielleicht erliegen würde, wenn er sie nicht kommen sah. Meigol hatte ihn nur deshalb gefördert, weil er entbehrlich für ihn war. Gingen dessen Pläne auf, dann war alles gut. Gab es jedoch unverhofft einige Änderungen, die sogar seine eigene Stellung gefährdeten, dann würde er Asgoth ohne zu zögern opfern, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Er hatte diesen nur in solch starkem Ausmaß gefördert, damit er ein wertvolles Faustpfand in der Hand hielt, das er zu gegebener Zeit einlösen konnte.
Abschied
Meerburg, 6. Tag des 4. Monats 2514
Whenda und Turgos waren nun schon seit vier Tagen in der Meerburg. Tomos’ Tochter war inzwischen auf dem Weg der Besserung und schon vor zwei Tagen aus ihrem Fieberschlaf erwacht. Jeden Tag bedankte sich der Mann bei seinen Gästen und war außer sich vor Freude.
Da Whenda selbst auf dem Markt reichlich Lebensmittel eingekauft hatte, musste er auch nicht seiner Arbeit nachgehen und in seinen Fischfässern war genügend alter Fisch, um die Ziegen damit zu füttern. Seine Besucher hatten sich etwas an den Gestank in seiner Hütte gewöhnt. Aber Whenda sagte zu Turgos, dass sie alle ihre Kleider waschen wollte, wenn sie das Haus des Tomos verlassen würden, um weiter gen Norden zu reisen.
Jeden Tag kontrollierte die Anyanar die Wunde des Mädchens. Es bildeten sich um diese herum keine roten Ränder, die auf ein neues Aufflammen der Infektion hindeuteten, und sie war mit der Wundheilung mehr als zufrieden. Das Kind würde vollständig genesen. Heute hatte es gar schon einige Schritte im Haus unternommen. Tomos war zuerst sehr erschrocken gewesen, als Whenda dies anordnete, denn in Lindan war es Sitte, dass Kranke das Bett hüteten und nicht sogleich wieder aufstanden. Gerade bei einer Verletzung am Fuß wollte Tomos diesen lieber noch länger schonen. Whenda meinte jedoch, dass die Belastung besser für den Heilungsprozess sei. Dort, wo sich die Haut durch die Naht zusammengezogen hatte, musste sie wieder gedehnt werden. Auch rieb sie den Fuß des Kindes bei ihren Kontrollen immer mit dem Öl ein, das Turgos auf dem Markt gekauft hatte. Sie vermengte es jedoch mit einem Pulver aus ihrem Beutel und erklärte den Männern, dass dieses dafür da sei, den Fuß zu desinfizieren. Das Kind fürchtete sich zuerst davor, dass in einigen Tagen der Draht aus der Narbe gezogen werden sollte. Aber mit der Zeit gewöhnte es sich an Whenda und vertraute ihr völlig, als sie ihr versicherte, dass es nicht so wehtun würde. Während ihres Aufenthaltes in der Stadt machten Whenda und Turgos weite Spaziergänge durch die Straßen und Gassen von Meerburg. Whenda hatte gehofft, hier ein Badehaus zu finden, in dem sie sich endlich waschen konnten. Doch es gab in der ganzen Stadt keines. Nur jene, die es sich leisten konnten, hatten anscheinend Bäder in ihren Häusern. Wie Tomos jedoch sagte, erkannte man diese nicht. Zu groß war die Angst ihrer Besitzer, dass ihr Reichtum Diebe und anderes Gesindel anlocken würde. So blieben ihnen nur der Baling und die wenigen öffentlichen Brunnen, um sich zu waschen. Doch dort war immer viel Volk anzutreffen und man war nie alleine.
Auch die Bucht von Ghal-Usdun, an der Meerburg lag, hatten sie besichtigt und festgestellt, dass man diese kaum als Bucht bezeichnen konnte. Nur auf der großen Karte von Lindan war sie als solche zu erkennen. Dem Betrachter vor Ort kam es so vor, als ob die Küste fast gerade von Norden nach Süden verlief. Nur die wenigsten erkannten die leichte Krümmung des Landes am Ende dieses
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