Das Erbe von Glen Crannach
zusehen, wie Greg die kostbare Nikon öffnete und den Film herausnahm.
“Was soll denn das? Ich habe schon über ein Dutzend Aufnahmen gemacht!”
“Genau.” Ohne den Blick von Camilla abzuwenden, rollte Greg den Film langsam auseinander. “In meinem Haus fotografiert niemand, ohne dass ich ausdrücklich meine Erlaubnis dazu gegeben habe. Reden Sie mir nicht von Manieren, Miss Holden, ehe Sie sich selbst welche angeeignet haben.”
Sie unterdrückte einen Seufzer. Normalerweise machte sie keine Fotos ohne Genehmigung. Doch obwohl Greg McKeowns Beschwerde in gewisser Weise berechtigt war, hieß das nicht, dass er verfahren konnte wie ein mittelalterlicher Feudalherr.
“Dazu hatten Sie kein Recht!”, fauchte Camilla. “Nur ein Teil der Aufnahmen ist in Ihrem Haus entstanden. Die anderen habe ich bereits auf der Fahrt hierher gemacht.”
Er blieb völlig unbeeindruckt. “Dann müssen Sie eben zurückfahren und noch einmal fotografieren.”
Sie ballte die Hände zu Fäusten und funkelte ihn empört an. Eine solche Arroganz war nicht zu fassen! “Sie hätten nur ein Wort zu sagen brauchen, dann hätte ich die Aufnahmen aus dem Haus nicht verwendet. Aber solch eine zivilisierte Vorgehensweise ist Ihnen offenbar fremd.”
“Offenbar, Miss Holden.” Seine Miene hatte sich bedrohlich verfinstert. “Aber es ist nicht meine Art, um meine Rechte zu bitten. Ich nehme sie mir lieber selbst.” Er reichte ihr die Kamera und den ruinierten Film. “Das sollten Sie für unseren künftigen Umgang miteinander vielleicht in Erinnerung behalten.”
Zitternd vor Wut und Empörung, schob Camilla sich an ihm vorbei ins Zimmer. Sie hatte nicht den geringsten Zweifel mehr, dass das Schicksal ihr diesen Auftrag als Strafe für vergangene Sünden zugedacht hatte.
Mit bebenden Fingern legte sie die Kamera in das dafür bestimmte Fach, zog den Reißverschluss zu und hängte sich die schwere Tasche über die Schulter. Ohne Greg McKeown noch eines Blickes zu würdigen, marschierte Camilla dann aus dem Raum und zur Haustür.
“Bis bald, Miss Holden!”, rief Greg Camilla nach und folgte ihr ein Stück. “Um genau zu sein, bis morgen früh um acht.”
“Guten Abend noch”, erwiderte sie.
Sie spürte, dass Greg ihr nachschaute, während sie mit steifen Bewegungen zum Wagen ging. Nichts hätte sie dazu bringen können, sich umzudrehen und ihn noch einmal anzusehen. Sie konnte sich das überlegene, triumphierende Lächeln, das jetzt um seinen Mund spielte, ohnehin mühelos vorstellen.
Sie stieg ins Auto und schlug die Tür heftig zu. Zum Teufel mit Greg McKeown und allem, was er darstellte! Als Camilla den Motor angelassen hatte, blickte sie aus alter Gewohnheit in den Rückspiegel, sah Greg auf den Stufen stehen, und plötzlich kam ihr ein sehr tröstlicher Gedanke.
Wenn je ein Mann es verdient hatte, unter dem Schatten eines alten keltischen Fluches zu leben, dann Greg McKeown!
3. KAPITEL
Camilla fand das Stag Hotel mit seinem ruhigen, altmodischen Charme wie eine stille Lagune nach gefährlicher Überfahrt über die vom Sturm aufgewühlte See. Langsam packte Camilla ihre Sachen aus, duschte und bestellte sich dann Tee. Sie fühlte sich körperlich und seelisch so erschöpft, als habe sie einen Boxkampf im Schwergewicht über zehn Runden überstanden. Seufzend lehnte sie sich in die Kissen des großen, bequemen Bettes zurück und verzog das Gesicht.
Ich bin einfach nicht mehr solche Aufregungen gewohnt, dachte sie.
Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Sie wollte nach dem Hörer greifen, hielt jedoch plötzlich inne. Vermutlich kam der Anruf von Eric, aber sie musste auch mit der Möglichkeit rechnen, dass Greg McKeown anrief. Das Stag Hotel war die einzige Herberge in Glen Crannach – es ließ sich also leicht erraten, dass sie hier logierte. Zuzutrauen war ihm jedenfalls, dass er irgendeinen diabolischen Grund gefunden hatte, sie zu belästigen.
Sie atmete tief durch und hob ab.
“Hallo?”, fragte sie vorsichtig.
“Camilla, mein Liebes! Wie geht’s dir?”
“Eric, es ist wunderbar, deine Stimme zu hören”, antwortete sie erleichtert und spürte, wie die Spannung von ihr abfiel. “Mir geht es gut. Nur ein wenig müde bin ich, das ist alles.”
“Dann ist also alles glattgegangen?”, wollte er wissen. “Auf der Reise und sonst auch?”
“Alles ohne die geringsten Probleme”, versicherte Camilla nicht eben wahrheitsgemäß. Aber sie hielt es für unnötig, Eric von den vielen Missgeschicken zu
Weitere Kostenlose Bücher