Das Erbe von Glen Crannach
erwiderte sie und biss die Zähne zusammen.
“Tatsächlich?” Unbekümmert zog er seine dicken schwarzen Lederhandschuhe aus. “Dann muss ich Sie gerade verpasst haben. Ich bin gegen Viertel vor neun weggefahren.”
Also kurz nach meinem Telefonanruf, rechnete Camilla aus. Greg wollte offenbar nicht da sein, wenn sie eintraf. Aber sie wusste, dass es nichts bringen würde, ihm das auf den Kopf zuzusagen. Er hatte sie absichtlich warten lassen, weil sie nicht pünktlich erschienen war. Sein herausfordernder Blick sagte ihr nur zu deutlich, dass Greg sie beim ersten Wort des Vorwurfs abkanzeln würde, dass ihr Hören und Sehen verging.
Er sprach dann jedoch trügerisch freundlich. “Zu schade, dass Sie aufgehalten wurden und so den Termin nicht einhalten konnten.” Greg zog den Reißverschluss seiner Lederjacke auf, stieg ab und stellte die schwere Maschine auf ihren Ständer, als habe sie überhaupt kein Gewicht. “Es muss ziemlich frustrierend für Sie gewesen sein, mich nicht mehr anzutreffen.”
“Überhaupt nicht”, log sie. Dass er sie so lange hatte warten lassen, war ärgerlich genug, sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, ihn wissen zu lassen, dass sein brüskierendes Verhalten den gewünschten Erfolg gehabt hatte. “Ich habe mir erlaubt, mich ein wenig umzusehen. Außerdem habe ich mich sehr nett mit Ihrem Gärtner unterhalten.”
Greg McKeown zog fragend eine Augenbraue hoch. “Mit meinem Gärtner?”
“Ihrem Gärtner”, bestätigte Camilla ungeduldig. Was war los? Wusste er etwa gar nicht, wer für ihn arbeitete? “Von ihm habe ich einige sehr nützliche Anregungen bekommen, wo ich hinfahren kann, um Landschaftsaufnahmen zu machen.”
Greg lächelte. Es war das überlegene und aufreizende Lächeln eines Mannes, der sich im Stillen über etwas amüsiert. “Er kennt die Gegend sehr gut. Ich bin sicher, dass er Ihnen brauchbare Hinweise gegeben hat.”
Camilla sah zu, wie er seine Handschuhe und den Helm auf dem Sattel des Motorrads ablegte. Wie schon am Tag zuvor machte seine Gegenwart sie nervös. Die schwarze Lederjacke mit den betonten Nähten und dem Metallreißverschluss schien seinem athletischen Körper etwas leicht Bedrohliches zu verleihen. Selbst die einfachen Blue Jeans, die die muskulösen Schenkel umspannten, wirkten an ihm wie ein Mittel zur Verführung unerfahrener Frauen.
“Also, was haben Sie jetzt vor?”
Camilla fuhr zusammen und blickte verwirrt zu Greg auf. “Wie meinen Sie das?”
“Ich dachte, Sie wären nach Schloss Crannach gekommen, um zu fotografieren. Wollen Sie nun Aufnahmen der Sammlung machen oder nicht?”
“Natürlich bin ich deswegen hier …” Camilla räusperte sich verlegen und verschränkte die Arme vor den Brüsten. “Aber ich bin noch nicht ganz sicher, wie ich es machen werde.” Sie blickte in das markante Gesicht mit den spöttischen Augen und dem breiten, leidenschaftlichen Mund und bemühte sich, ihre Gedanken auf die vorliegende Aufgabe zu konzentrieren. “Ich würde mir die Sammlung gern noch einmal ansehen und zur Vorbereitung einige Polaroidaufnahmen machen.”
“Was ist mit den Hintergrundmotiven? Haben Sie schon welche ausgesucht?”
“Einige”, antwortete sie. “Weshalb wollen Sie das wissen?”, erkundigte sie sich dann spitz.
“Es ist nur …” Greg strich sich gedankenverloren durchs Haar. “Sie haben doch gesagt, dass Sie für den
Ceò do dh’òr
einen ganz besonderen Rahmen haben wollen, und gestern Abend ist mir eingefallen, dass ich vielleicht genau den Ort kenne, den Sie suchen.”
Camilla ließ die Arme sinken und steckte die Hände in die Hosentaschen. Sie bezweifelte, dass er auch nur die geringste Ahnung hatte, worauf es ihr ankam. Skeptisch zog sie die Augenbrauen hoch.
“So?”, fragte sie ohne sonderliche Begeisterung.
Er hielt ihren Blick fest. “Soll ich Ihnen die Stelle zeigen?”
Sie zuckte die Schultern. “In Ordnung. Warum nicht?” Vermutlich würde es reine Zeitverschwendung sein, aber sie wollte Greg McKeown nicht durch eine Weigerung verärgern und sich dadurch womöglich alles verderben.
Er lächelte, und wieder stellte Camilla fest, dass er makellose weiße Zähne hatte. “Also dann … Folgen Sie mir.”
Greg McKeown führte Camilla hinten am Schloss vorbei. Bald hörte der Kiesweg auf, und sie musste in unwegsamem Gelände versuchen, mit ihm Schritt zu halten. Immer wieder stolperte sie über Steine oder am Boden liegende Zweige.
Schließlich keuchte sie: “Was soll das
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