Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
zivilisiert, daß ihnen die Bürgerrechte zugestanden werden können?‹ Mir scheint, wir kennen die Antwort nun schon. Die Erfahrung dieser wenigen Tage und zumal die dieses Abends dürfte uns genügen.«
Auf diesen persönlichen Angriff hin faßt Monsieur Barsac sich wieder. Er richtet sich auf, er wird sprechen, er spricht … Doch Mademoiselle Mornas kommt ihm zuvor.
»Monsieur Baudrières ist nicht sehr anspruchsvoll«, sagt sie. »Wie jener Engländer, der behauptete, alle Französinnen seien rothaarig, weil er bei seiner Ankunft in Calais einer Frau mit rotem Haar begegnet war, beurteilt er ein Volk nach ein paar Übeltätern. Als ob nicht auch in Europa genügend Verbrechen begangen würden! …«
Monsieur Barsac stimmt ihr aus vollem Herzen bei. Aber er kann den Mund nicht halten. Also ergreift er das Wort.
»Sehr richtig!« ruft er aus. »Aber meine Herren, die Frage hat auch noch einen anderen Aspekt. Würde es zulässig sein, daß Vertreter der Republik sich gleichsam an der Schwelle einer großen Unternehmung bereits …«
Er spricht gut, dieser Herr Barsac.
» … bei den ersten Schritten entmutigen lassen, als seien sie furchtsame Kinder? Nein, meine Herren, wer die Ehre hat, die Fahne Frankreichs zu führen, muß einen klaren Verstand und einen Mut besitzen, den nichts zu dämpfen vermag. Auf diese Weise wird er zwar vernünftigerweise die Gefahren erkennen, die ihm drohen könnten, aber auch, nachdem er diese Gefahren erkannt hat, ihnen ohne Erbleichen begegnen. Die Pioniere der Zivilisation …«
Beim Himmel! Das wird eine Rede! … Das dauert jetzt sicher noch eine ganze Weile!
» … Pioniere der Zivilisation müssen vor allem ihre Umsicht beweisen und nicht übereilt ein Gesamturteil über ein riesiges Territorium fällen, gestützt auf eine Einzelerfahrung, von der nicht einmal sicher ist, daß sie stimmt. Wie es mein Vorredner so überaus treffend dargelegt hat …«
Der Vorredner ist ganz einfach Mademoiselle Mornas. Er lächelt, dieser Vorredner, und beeilt sich, um die Redeflut einzudämmen, tönenden Beifall zu spenden. Wir alle folgen ihrem Beispiel und applaudieren ebenfalls, natürlich ausgenommen Monsieur Baudrières.
»Der Fall ist nunmehr geklärt«, läßt Mademoiselle Mornas sich trotz allen Lärms vernehmen, »und die Reise wird fortgesetzt. Ich wiederhole also, daß uns die Klugheit gebietet, alles Blutvergießen zu vermeiden, das Repressalien nach sich ziehen könnte. Wenn wir vernünftig sind, konzentrieren wir uns ganz auf eine friedliche Fortsetzung unserer Reiseroute. Das jedenfalls ist die Meinung von Hauptmann Marcenay.«
»Ja, dann allerdings! Wenn es die Meinung von Hauptmann Marcenay ist! …« stimmt Monsieur Barsac mit etwas süßsaurer Miene ihr zu.
»Setzen Sie nicht so eine ironische Miene auf, Monsieur Barsac«, entgegnet ihm Mademoiselle Mornas. »Sie täten besser daran, sich nach dem Hauptmann umzusehen, den Sie vorhin gehörig angefahren haben, und ihm Ihre Hand zur Versöhnung zu bieten. Alles in allem verdanken wir ihm womöglich unser Leben.«
Monsieur Barsac ist zwar ein Hitzkopf, aber doch ein braver, ein ganz ausgezeichneter Mann. Er zögerte nur gerade so lange, wie nötig war, um sein Opfer gebührend zur Geltung zu bringen, und lenkte dann seine Schritte zu Hauptmann Marcenay, der gerade die letzten Anordnungen für die Aufstellung einer Feldwache traf.
»Herr Hauptmann, auf ein Wort«, sagte er zu ihm.
»Zu Befehl, Herr Abgeordneter«, antwortete der Offizier, und nahm militärische Haltung an.
»Herr Hauptmann«, fuhr Monsieur Barsac fort, »wir haben soeben beide unrecht gehabt, ich aber mehr als Sie. Ich bitte Sie also um Entschuldigung. Wollen Sie mir die Ehre erweisen, mir die Hand zu geben?«
Das wurde mit viel Würde vorgebracht und hatte, wie ich versichern kann, nichts Demütigendes an sich. Monsieur Marcenay war ganz gerührt:
»Ah! Herr Abgeordneter«, sagte er, »das ist wirklich zuviel! Ich hatte schon alles vergessen! …«
Sie drückten einander die Hand, und ich glaube, sie sind bis auf weiteres nun die besten Freunde von der Welt.
Nachdem der Zwischenfall Barsac-Marcenay zur allgemeinen Zufriedenheit bereinigt war, zog jeder von uns sich in die Unterkunft zurück, die für ihn vorgesehen war. Ich legte mich also schlafen, als ich bemerkte, daß seiner Gewohnheit entsprechend Monsieur de Saint-Bérain nicht anwesend war. Hatte er etwa das Lager entgegen der Weisung verlassen?
Ohne meinen Reisegefährten etwas davon
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