Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
unrecht von dem Hauptmann, Sie nicht zu unterrichten, aber er hat sich entschuldigt. Nun haben aber Sie ihn verletzt. Noch dazu erfüllt er zu Ihrem Schutz seine Pflicht auf die Gefahr hin, sich Ihren Zorn zuzuziehen und seinem Avancement zu schaden. Wenn Sie ein wenig großherzig wären, sollten Sie ihm danken.«
»Das geht zu weit!«
»Beruhigen Sie sich, ich bitte Sie, und hören Sie mich an. Ich habe soeben mit Malik gesprochen. Sie war es, die Hauptmann Marcenay alarmiert und ihm das Komplott geschildert hat, das sich gegen uns richtet. Haben Sie schon einmal von ›doung-kono‹ gehört?«
Monsieur Barsac schüttelt verneinend den Kopf. Er schäumt nicht mehr, aber er schmollt.
»Ich aber weiß darüber Bescheid«, mischt sich hier Dr. Châtonnay ein, der inzwischen näher herangekommen ist. »Es ist ein tödliches Gift, dessen Eigenart darin besteht, daß seine Opfer ihm erst nach etwa acht Tagen erliegen. Wissen Sie, wie man es gewinnt? Auf eine wirklich merkwürdige Art.«
Monsieur Barsac sieht nicht aus, als ob er überhaupt zuhört.
Der Vulkan raucht immer noch.
Mademoiselle Mornas indessen antwortet an seiner Stelle.
»Nein, Dr. Châtonnay.«
»Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären«, fährt Dr. Châtonnay, nunmehr nicht ohne ein gewisses Zögern, fort, »obwohl die Sache etwas heikel ist … Aber gut! Es muß sein! … Sie müssen also wissen, daß man, um ›doung-kono‹ zu gewinnen, einen Hirsehalm (in der Negersprache ›sarrio‹) nimmt und ihn in den Darm eines Kadavers einführt. Zwanzig Tage darauf nimmt man ihn wieder heraus, läßt ihn trocknen und reibt ihn. Das Pulver, das man auf diese Weise gewinnt, wird in Milch, eine Sauce, in Wein oder irgendein anderes Getränk geschüttet, und da es nach nichts schmeckt, schluckt man es ahnungslos. Acht oder zehn Tage darauf bekommt man Schwellungen, der Unterleib vor allem bläht unvorstellbar auf. Nach vierundzwanzig Stunden erliegt man dem Gift, und nichts, kein Gegengift, kein Heilmittel vermag einen vor diesem unheilvollen Geschick zu bewahren, das
›S’il n’est digne d’Atrée, c’est digne de Thyeste!‹
(Wenn’s nicht des Atreus’, doch Thyestens würdig ist!)«
Also gut! Schon wieder ein Vers! Ich glaube schon, daß er paßt, … aber wozu?
»So also«, fährt Mademoiselle Mornas nun ihrerseits fort, »sieht das Komplott aus, das die Dorfbewohner schmieden. Als Malik hierher kam, hat sie den Häuptling von Daouhériko mit anderen Häuptlingen aus den Nachbardörfern darüber reden hören. Dolo Sarron, so heißt dieser Westentaschenmonarch, sollte uns einen freundschaftlichen, einen überaus herzlichen Empfang bereiten und uns auffordern, teils in sein eigenes Haus, teils in die Hütten seiner Spießgesellen einzukehren. Dort würde man uns Speisen und irgendein Nationalgetränk verabfolgt haben, das wir nicht zurückgewiesen hätten. Zur gleichen Zeit hätte man auch unsere Truppen mit Getränken versorgt. Morgen würden wir dann aufgebrochen sein, ohne irgend etwas zu bemerken, doch nach einigen Tagen hätten wir die ersten Wirkungen des Giftes verspürt. Natürlich würden alle Neger ringsum auf diesen Augenblick gewartet und, sobald unser Zug in Auflösung geraten wäre, unser Gepäck geplündert, unsere Eseltreiber und Packträger in die Sklaverei geführt und unsere Pferde und Esel an sich genommen haben. Malik hat dieses Komplott entdeckt und Hauptmann Marcenay gewarnt. Das übrige wissen Sie selbst.«
Man kann sich denken, daß dieser Bericht uns nicht wenig aufgeregt hat.
Monsieur Barsac ist bestürzt.
»Nun, was habe ich Ihnen gesagt?« ruft Monsieur Baudrières mit triumphierender Miene aus. »Da haben Sie Ihre zivilisierte Bevölkerung! Das sind mir schöne Gauner!«
»Ich kann es kaum glauben«, seufzt Monsieur Barsac. »Ich bin zu Boden geschmettert, buchstäblich zu Boden geschmettert! Dieser Dolo Sarron mit seiner Biedermannsmiene! Ha, aber jetzt wird es lustig! … Gleich morgen lasse ich dieses Dorf niederbrennen, und was diesen elenden Dolo Sarron betrifft …!«
»Das werden Sie doch auf keinen Fall tun, Monsieur Barsac!« rief Mademoiselle Mornas aus. »Bedenken Sie doch, daß wir noch Hunderte und Aberhunderte von Kilometern zu durchmessen haben. Die Vorsicht gebietet …«
Monsieur Baudrières fällt ihr ins Wort.
»Ist es denn überhaupt durchaus nötig«, fragt er, »auf diese Reise weiterhin zu bestehen? Es ging doch um die Frage: ›Sind die Völkerschaften im Nigerbogen so weit
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