Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
Zwischenfall von wirklichem Ernst ist die unerwartete Ablösung unserer Begleitmannschaft und ihre Verringerung auf zwanzig Mann. Werden zwanzig Mann imstande sein, unsere Sicherheit inmitten dieser Negerbevölkerung zu garantieren? Das frage ich mich.«
»Wenn man die Frage so stellt«, sage ich, »kann man sie nur bejahen. Es scheint mir gewiß, daß zwanzig Mann unbedingt ausreichend sind, solange wir nur Neger als Gegner vor uns haben. Andere Forschungsreisende haben längere Fahrten als die unsere unternommen, ohne überhaupt von einer Eskorte begleitet zu sein. Jedoch …«
»Ich weiß, was Sie sagen wollen«, unterbricht mich Monsieur Barsac. »Sie wollen von dem geheimnisvollen Unbekannten sprechen, der uns offenbar ungern in diesem Lande sieht. Ich habe aus meiner Meinung in diesem Punkt kein Hehl gemacht, und alles hat mir zugestimmt. Seither ist nichts Neues erfolgt. Es hat meiner Ansicht nach also keinen Zweck, darauf zurückzukommen.«
Ich habe jedoch etwas einzuwenden.
»Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, aber ich glaube doch, daß im Gegenteil sehr wohl etwas Neues erfolgt ist.«
»Wie? Was?« fragt Monsieur Barsac erstaunt. »Dann muß es etwas Neues sein, das vor mir verborgen geblieben ist. Erklären Sie sich näher.«
So in die Enge getrieben, fühle ich mich sehr verlegen. Meine Beobachtungen, die so wichtig erschienen, und die Folgerungen, die ich, als ich sie bei mir selber erwog, so zwingend gefunden hatte, erscheinen mir jetzt, da ich sie vor jemand anderem wiederholen soll, noch unbedeutender und willkürlicher als in dem Moment, in dem ich sie schriftlich festlegen wollte. Indessen ist es nun, wo ich die Sache einmal angeschnitten habe – was im übrigen meine Pflicht war –, notwendig zu sagen, was ich denke.
Ich sage es also. Ich teile Monsieur Barsac meine Beobachtungen hinsichtlich unserer Eskorte und der sie befehligenden Offiziere mit und stelle als sich daraus ergebenden Schluß die Hypothese auf, daß, wofern diese Leute keine wirklichen Soldaten sind, sie sehr wohl im Sold des unbekannten Gegners stehen könnten, den wir bisher nicht tragisch genommen haben.
Angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten kann Monsieur Barsac nur lachen.
»Aber das klingt ja wie ein Roman!« ruft er aus. »Monsieur Florence, Sie verfügen offenbar über eine blühende Phantasie. Sie wird Ihnen sehr zustatten kommen, falls Sie einmal daran denken, für die Bühne zu schreiben, aber ich rate Ihnen, im realen Dasein ihr dennoch zu mißtrauen.«
»Indessen …« bringe ich ein wenig gekränkt hervor.
»Es gibt kein ›Indessen‹. Wir haben Tatsachen vor uns. Zunächst ist da der schriftliche Befehl …«
»Er kann gefälscht sein.«
»Nein«, entgegnet Monsieur Barsac, »denn Hauptmann Marcenay hat ihn für echt gehalten und ihn auf der Stelle befolgt.«
»Er kann gestohlen worden sein …«
»Schon wieder Ihre Romanphantasie! … Wie denn, ich bitte Sie, könnte man sich an die Stelle der echten Eskorte setzen? In diesem Fall hätte man eine ziemlich zahlreiche Truppe zur Hand haben müssen, um erstens die echten Soldaten bis zum letzten niederzumachen, verstehen Sie, und zweitens, um in Übereinstimmung mit dem Befehl, den man sich widerrechtlich angeeignet hätte, ein absolut mit jenem identischen falsches Detachement aufzustellen, und das bereits lange zuvor, das heißt zu einem Zeitpunkt, als noch niemand wissen konnte, wie die neue Begleitmannschaft zusammengesetzt sein, noch ob sie überhaupt jemals von Oberst Saint-Auban entsendet werden würde. Da keiner der Leute von Leutnant Lacour verwundet ist, müßte diese Truppe sehr zahlreich gewesen sein, denn Sie unterstellen ja sicherlich nicht, daß echte Soldaten sich ohne Widerstand hätten hinmetzeln lassen. Und Sie wollen glauben, die Anwesenheit einer so starken Streitmacht sollte unbemerkt geblieben und das Gerücht von einem derartigen Zusammenstoß nicht bis zu uns gedrungen sein, während doch im Busch die Nachrichten von einem Dorf zum anderen mit der Geschwindigkeit eines Telegraphen weitergeleitet werden? An solchen Unmöglichkeiten muß man dann doch scheitern, wenn man seiner Phantasie die Zügel schießen läßt!«
Monsieur Barsac hat recht. Der Marschbefehl ist sicherlich nicht gestohlen.
»Und was Ihren Eindruck«, fährt er fort, »von den Leuten und ihren Chefs betrifft – worauf beruht er denn? Worin unterscheiden diese Schützen, die Sie hier sehen, sich von allen übrigen schwarzen Schützen?«
Ich betrachte die
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