Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
sagt er.
»Wie denn! So schnell?« ruft Monsieur Barsac aus.
»Es muß sein«, antwortet der Hauptmann. »Mein Befehl läßt keinen Zweifel zu. Ich soll mich ohne jeden Verzug nach Ségou-Sikoro und Timbuktu absetzen.«
»Dann gute Reise, Herr Hauptmann.« Mit diesen Worten fügt sich, während er ihm die Hand reicht, Monsieur Barsac, bei dem jetzt die Rührung den Zorn überwiegt, dem Unvermeidlichen. »Seien Sie versichert, daß unsere allerbesten Wünsche Sie begleiten. Niemand von uns wird diese wenigen gemeinsam verbrachten Tage vergessen, und sicherlich spreche ich für uns alle, wenn ich Ihnen unsere Dankbarkeit für Ihren wachsamen Schutz und Ihre unverbrüchliche Ergebenheit ausdrücke.«
»Danke, Herr Abgeordneter«, antwortet der Hauptmann, auch seinerseits ergriffen.
Er verabschiedet sich nacheinander von jedem einzelnen von uns und endet, wie es sich von selbst versteht, bei Mademoiselle Mornas. Ich luge natürlich zu ihnen hinüber, wie man sich denken kann.
Doch meine Neugier wird nicht belohnt. Alles verläuft so einfach wie nur möglich.
»Auf Wiedersehen, Mademoiselle«, sagt der Hauptmann.
»Auf Wiedersehen, Hauptmann Marcenay«, antwortet Mademoiselle Mornas.
Das ist alles. Immerhin haben für uns, die wir Bescheid wissen, diese kargen Worte einen tieferen Sinn als den, den man ihnen gemeinhin beilegen würde. Wir verstehen alle, daß sie einem beiderseitigen formellen Versprechen gleichkommen.
So jedenfalls versteht sie auch der Hauptmann, denn seine Miene hat sich aufgehellt. Er ergreift die Hand, die ihm Mademoiselle Mornas reicht, drückt respektvoll einen Kuß darauf, springt auf sein Pferd und begibt sich an die Tete seiner Abteilung, die inzwischen Aufstellung genommen hat.
Als letzten Gruß an uns hebt er den Degen. Die hundert Mann setzen sich in Bewegung und verschwinden in scharfem Trab. Nicht ohne eine gewisse Unruhe folgen wir ihnen mit dem Blick. In wenigen Minuten sind sie außer Sicht.
Wir sind nun allein mit Leutnant Lacour, seinen beiden Un teroffizieren und seinen zwanzig Mann, von deren Existenz wir eine Stunde zuvor noch nichts wußten. Das Abenteuer hat sich so rapide abgespielt, daß wir noch wie vor den Kopf geschlagen sind. Jetzt müssen wir versuchen, unsere Ruhe zurückzugewinnen.
Mir selber gelingt das ziemlich schnell, und ich sehe mir nun unsere neuen Leibwächter an, um mir einen näheren Eindruck von ihnen zu verschaffen. Da geschieht etwas Merkwürdiges. Beim ersten Blick, den ich auf sie werfe, verspüre ich ein – tatsächlich nicht einmal unangenehmes! – Frösteln, denn ich habe plötzlich den sehr deutlichen Eindruck, daß sie durchaus Leuten gleichen, denen ich im Dunkeln nicht allein begegnen möchte.
X.
Die neue Eskorte
(Nach den Aufzeichnungen von Amédée Florence)
Am gleichen Tage, abends. – Nein, ich möchte ihnen nicht allein im Dunkeln begegnen, und dennoch geht es mir doch so ähnlich, denn ich befinde mich ja mit ihnen zusammen im Busch, was bedeutend schlimmer ist. Die Situation entbehrt denn auch in meinen Augen nicht eines gewissen Reizes, denn es gibt ja wirklich nichts An-und Aufregenderes, als sich bewußt zu sein, daß man sich in einer realen Gefahr befindet, mit äußerster Aufbietung aller Verstandeskräfte zu erforschen, was einem verborgen ist und mit geschärftem Blick und gespitzten Ohren auf der Lauer zu liegen, um dem Schlag zu begegnen, von dem man noch nicht weiß, woher er kommen wird. Während solcher Stunden lebt man tatsächlich intensiv, und Sensationen von dieser Art überwiegen wirklich bei weitem das Vergnügen, das man an einem Café-Crème auf der Terrasse des ›Napolitain‹ finden könnte.
Aber natürlich lasse ich meiner Phantasie wieder einmal die Zügel schießen. Spielt sie mir nicht vielleicht nur einen Streich, indem sie mich in irgendwelchen ganz belanglosen gewöhnlichen Schützen Banditen sehen läßt? Und der Brief, der authentische Brief des Obersten Saint-Auban – was stelle ich mir denn darunter eigentlich vor?
Ach was! Dieser Brief des Obersten Saint-Auban stört mich natürlich bei meinen Überlegungen, wie ich offen zugeben muß, aber nichts kommt gegen den Eindruck auf, den diese neue Begleitmannschaft und ihr Befehlshaber auf mich machen.
Sind zunächst einmal diese Unteroffiziere und diese Soldaten überhaupt ›Militärs‹? Bei den Schwarzen kann man es nicht wissen, da sie alle gleich aussehen. Was den Offizier betrifft, fühlt man sich versucht, die Frage zu bejahen.
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