Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
Nicht hingegen kann man das so ohne weiteres sagen, wenn es um die beiden Sergeanten geht. Diese Leute sollen Schützen sein? Das kann mir doch niemand erzählen! Man braucht nicht Phrenologe, Physiognomiker oder sonst irgend etwas Gelehrtes zu sein, um in diesen Gesichtern etwas ganz anderes zu lesen: die Unruhe des gestellten Tieres, Neigung zu derben Vergnügungen, unkontrollierte Triebhaftigkeit, Roheit und Grausamkeit. Wirklich ein bezauberndes Porträt!
Was mich zuerst frappiert hat, ist nur eine Einzelheit, aber gerade dieses Detail hat meine Betrachtungen in Gang gebracht. Ist es nicht tatsächlich sonderbar, daß diese Leute, einschließlich der Unteroffiziere, mit Staub bedeckt sind, wie es Männern ansteht, die seit vierzehn Tagen hinter uns hergelaufen sind, daß aber ihr Chef so frisch aussieht, als sei er soeben erst aus der Schachtel geholt? Denn er ist so frisch, daß es geradezu unwahrscheinlich wirkt: weiße Wäsche, blanke Schuhe, ein gewichster Schnurrbart – kurz, er sieht wirklich recht schmuck aus. Und seine Haltung? Man könnte meinen, Leutnant Lacour wolle gerade eine Truppenparade abnehmen. Er ist von Kopf bis Fuß ›auf Draht‹. Nichts fehlt, kein Knopf, kein Faden bis herunter auf sein Beinkleid, das eine tadellose Bügelfalte aufzuweisen hat! Man hat im Busch nicht häufig Gelegenheit, soviel Eleganz zu bewundern. Diese Uniform schließt jeden Zweifel aus, daß sie nicht ganz neu ist, und ihr Träger scheint mir in seinem Bestreben, sich wirklich ein ›offiziersgemäßes‹ Aussehen zu geben, die Grenzen des Wahrscheinlichen zu überschreiten.
Hat Leutnant Lacour, da er derart wie aus dem Ei gepellt wirkt, während seine Untergebenen dicker Staub bedeckt, etwa an der Jagd auf uns gar nicht teilgenommen?
Die beiden Sergeanten also sind tatsächlich ausreichend schmutzig, aber wenn sie an der übertriebenen Eleganz ihres Vorgesetzten nicht teilhaben, übertreiben sie es meiner Meinung nach in der entgegengesetzten Richtung. Ihre Uniformen – soweit man sie so nennen darf – scheinen aus irgendeinem Altkleiderladen zu stammen. Sie hängen in Lumpen an ihnen herunter. Ihre Hosen sind viel zu kurz und stark geflickt, und keine Nummer und kein Abzeichen gibt einen Hinweis auf das Regiment, dem sie angehören. Es fällt mir schwer zu glauben, daß französische Soldaten so schlecht ausgestattet sein sollten, selbst wenn sie nur auf kurze Zeit angeworben sind. Eine andere Beobachtung läßt sich schwerer in Worte fassen: es kommt mir so vor, als ob die Inhaber dieser alten Uniformen nicht daran gewöhnt seien, selbst diese zu tragen. Ohne daß ich recht erklären kann, wieso, habe ich den Eindruck, sie fühlten sich in ihnen nicht zu Hause.
Dies ist die gesamte Liste meiner Feststellungen und Beobachtungen. Man wird vielleicht finden, daß das ein recht magerer Ertrag ist und daß ich mich durch unbedeutende Besonderheiten habe beeinflussen lassen, die vielleicht ganz einfach zu erklären sind. Ich sage nicht Nein dazu, denn ich selber bin von dieser Meinung nicht sehr weit entfernt. Während ich, um sie in dieses Notizheft einzutragen, die Gründe für mein Mißtrauen genau zu formulieren versuche, bin ich der erste, der geneigt ist, sie ziemlich schwach zu finden. Aber es ist wohl vor allem so, daß ich, weil dieses Mißtrauen in erster Linie rein gefühlsmäßig besteht, es schlecht in Worten ausdrücken kann.
Wie dem auch sei, ich habe dem Vorhergehenden nichts hinzuzufügen. Was die Disziplin betrifft, gibt es nichts, was man beanstanden könnte. Sie ist meinem Eindruck nach sogar eher zu strikt. Die Wachen sind auf ihrem Posten und lösen einander regelmäßig ab. Die allgemeine Haltung ist ausgezeichnet, allzu ausgezeichnet vielleicht.
Bei der Eskorte lassen sich deutlich drei Gruppen unterscheiden, von der keine sich unter die übrigen Mitglieder unserer Reisegesellschaft mischt. Die erste Gruppe umfaßt die zwanzig sudanesischen Schützen. Außerhalb ihrer Dienststunden bleiben sie ständig beisammen und, was bei Schwarzen ganz unglaublich erscheint, reden kaum miteinander. Sie bereiten schweigend ihre Mahlzeiten oder aber schlafen. Man hört sie nicht. Sie gehorchen aufs Wort und auf jeden Wink ihren Unteroffizieren, die sie beträchtlich zu fürchten scheinen. Alles in allem könnte man den Eindruck haben, daß diese zwanzig Neger sehr traurig und von Angst beherrscht sind.
Die zweite Gruppe besteht aus den Unteroffizieren. Diese reden zwar, aber nur miteinander und nur
Weitere Kostenlose Bücher