Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
hätte man meinen können, Jane Buxton ertrage die Prüfungen, die das Schicksal ihr auferlegte, mit weniger Gleichmut als die übrigen, und dennoch hatten jene mit dem Kummer nichts zu tun, der sich allmählich zunehmend in ihren Mienen spiegelte. Da sie niemals erwartet hatte, daß die Reise ohne Mühen verlaufen werde, nahm sie ruhigen Gemütes alle Widrigkeiten hin, denen sie auf ihrem Wege begegnete. Abgemagert, geschwächt durch alle die verschiedenartigen Entbehrungen und Leiden, hielt sie doch mit gleichmäßig angespannter Energie und Intelligenz an dem Ziel fest, das sie sich einmal gesetzt hatte. Doch je mehr sie sich ihm näherte, desto stärker nahmen ihre Unruhe und ihre Besorgnisse zu, ohne daß sie sich ihrer erwehren konnte. Welche Antwort würde das Grab von Koubo geben? Was würde sich bei der Untersuchung herausstellen, die sie, von der Stätte ausgehend, an der ihr Bruder gefallen war, sofort in die Wege zu leiten gedachte? Würde sie überhaupt irgend etwas erfahren, oder aber mit leeren Händen nach Hause zurückkehren müssen? Diese Fragen suchten sie immer gebieterischer und immer drängender heim.
Amédée Florence war Jane Buxtons zunehmende Traurigkeit nicht entgangen, und er versuchte sie mit aller Macht zu bekämpfen. Tatsächlich war er die Seele dieser kleinen Welt, und selbst die übelsten Widerwärtigkeiten hatten keinen Einfluß auf seine ständige Heiterkeit. Wenn man auf ihn hörte, mußte man dem Himmel für seine väterliche Fürsorge danken, da einer richtig verstandenen gesunden Lebensweise keine andere Existenzform vortrefflicher angemessen zu sein schien, als die ihnen jetzt auferlegte. Was auch eintrat, er beglückwünschte sich dazu. Hatte man etwa Durst? Nichts war günstiger als Mittel gegen eine beginnende Magenerweiterung. Verspürte man Hunger? Nichts war besser gegen die Arthritis, die ihn bedrohte. War man vor Ermüdung am Ende seiner Kräfte? Nun, dann würde man seiner Meinung nach um so besser schlafen. Er appellierte dabei an Dr. Châtonnay, der ihm beipflichtete, während er im stillen den Mut und die Energie dieses braven Burschen bewunderte.
Das Verhalten von Amédée Florence war um so verdienstvoller, als er außer den allen gemeinsamen Sorgen ja auch noch eine zusätzliche zu ertragen hatte, von der seine Gefährten überhaupt nichts ahnten. Diese Besorgnis ging auf den 12. März zurück, das heißt den Tag, an dem man zum ersten Mal durch ein Dorf gekommen war, dessen Verwüstung erst ganz neuen Datums zu sein schien. Von diesem Tage an war Amédée Florence zu der innersten Überzeugung gelangt, daß er und seine Gefährten überwacht, verfolgt und belauert würden. Spione beobachteten sie vom Busch aus, dessen war er gewiß, begleiteten die nahezu hilflos gewordene Expedition, wohnten ihrem Untergang bei, bereit, die letzten Bemühungen dieser Schiffbrüchigen zu Lande noch in dem Augenblick zu vereiteln, in dem diese endlich der Rettung nahe wären. Mit ständig angespanntem Auge und Ohr hatte er für seinen Argwohn zahllose Bestätigungen erhalten: bei Tage waren es neue Spuren erst vor kurzem geräumter Lagerplätze, kaum hörbare Detonationen, Pferdegalopp in der Ferne; während der Nacht Geflüster, gleitende Geräusche und zuweilen das Vorüberhuschen eines undeutlichen Schattens in der tiefen Dunkelheit. Von diesen Beobachtungen, Überlegungen und Befürchtungen hatte er wohlweislich seinen Gefährten nichts gesagt, um ihre Angst nicht zu vermehren, und auch Tongané, dessen Feststellungen ganz seinen eigenen entsprachen, Schweigen auferlegt. Sie gedachten sich damit zu begnügen, beide vermehrte Wachsamkeit walten zu lassen bis zu dem Augenblick, den der Reporter für geeignet halten würde, um seine Reisegefährten ins Vertrauen zu ziehen.
Es konnte nicht ausbleiben, daß die Reise, durch solche Schwierigkeiten kompliziert, nicht in der zuvor angesetzten Frist vonstatten gehen konnte. Erst am Abend des 23. März legte man die letzte Rast vor der Ankunft in Koubo ein. Sechs bis acht Kilometer trennten die erschöpften Reisenden noch von diesem Ort, doch nach etwa zweitausend Metern müßte man nach Tonganés Ansicht auf das Grab stoßen, das die Gebeine von Hauptmann George Buxton barg. Am nächsten Tage bei Morgengrauen wollte man sich dorthin begeben. Man mußte zu diesem Zweck den gebahnten Weg verlassen und zunächst einmal zu der Stätte vordringen, an der die aufrührerische Truppe vernichtet worden war, um sich dann in Richtung auf das
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