Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
rückte man weiter nach Norden vor. Was zudem hätte man auch anderes tun sollen? Nach Süden umzukehren, auf dem durch feindselige oder zerstörte Dörfer gekennzeichneten Weg, wäre unmöglich gewesen. Trotz allem war es besser, um jeden Preis zum Niger vorzudringen, da einzig dort Hilfe zu erwarten war.
Noch immer hatten die erschöpften Reisenden nichts als Wüste vor sich. Kein Dorf tauchte auf, das nicht, wofern durch einen ›tata‹ vor Zerstörung geschützt, sich feindselig gezeigt hätte oder im umgekehrten Fall geplündert, niedergebrannt, verwüstet gewesen wäre. Nirgends war es ihnen möglich, sich Proviant zu verschaffen. Sie fristeten ihr Dasein einzig von Bataten, Yams-und anderen Wurzeln, die sie dank glücklicher Zufälle unverhoffterweise noch in einem zerwühlten ›lougan‹ fanden, oder dank einem erfolgreichen Schuß, manchmal auch dem Fang irgendeines kümmerlichen Fisches, der an einer Raststelle Saint-Bérain an die Angel geriet.
Diese letztere Hilfsquelle fiel allerdings am häufigsten aus. Abgesehen davon, daß die Ungunst des Geschickes weder die ständige Zerstreutheit noch die außergewöhnliche Weichherzigkeit des Neffen von Jane Buxton vermindert hatte, führte die Reiseroute auch nur durch Gebiete, in denen Wasserläufe äußerst selten waren. Mehr als einmal hatte man unter Durst zu leiden, da die Brunnen, auf die man von Zeit zu Zeit stieß, unweigerlich zugeschüttet waren. Die feindlich gesinnte Macht, die erfinderisch darauf sann, die Reisenden heimzusuchen, hatte nichts außer acht gelassen.
Deren Energie jedoch war durch nichts zu brechen. Wiewohl von glühender Sonne versengt und nur imstande, sich mühsam hinzuschleppen, wenn ihnen kein Wild vor die Flinte gekommen war, mußten sie ihre Etappen zwar ihrer zunehmenden Schwäche anpassen, drangen aber dennoch täglich, Schritt für Schritt, trotz Ermüdung, Hunger und Durst unerschrocken nach Norden vor.
Die beiden Schwarzen bewiesen diesen Prüfungen gegenüber eine bewundernswerte Gleichgültigkeit. An Entbehrungen gewöhnt, häufig in der Lage, ein elendes Dasein ertragen zu müssen, litten sie vielleicht weniger als ihre Herren unter der gegenwärtigen jammervollen Situation. Alle beide legten Zeugnisse rührender Ergebenheit ab.
»Ich nicht viel Hunger«, sagte Tongané zu Malik, um sie zur Annahme einer von ihm entdeckten eßbaren Wurzel zu bewegen.
Malik nahm das Geschenk zwar an, doch nur, um es an Jane Buxton weiterzugeben, die sich beeilte, es sofort der Kollektivreserve hinzuzufügen, aus der die Mahlzeit des folgenden Tages bestehen sollte.
So tat jeder seine Pflicht, während er zugleich seinem persönlichen Temperament gemäß auf die bestehenden Verhältnisse reagierte.
Barsac neigte eher zum Zorn. Er sprach kaum, wenn aber ein Wort seinen Lippen entschlüpfte, so wendete dieses Wort sich im allgemeinen an die französische Regierung, dank deren Unfähigkeit er, Barsac, in diesen Schlamassel geraten war. Er sah sich im Geiste schon von der Kammertribüne aus wettern. Einstweilen bereitete er die Donnerkeile vor, die er nach seiner Heimkehr jupitergleich vom hohen parlamentarischen Olymp aus zu schleudern gedachte.
Dr. Châtonnay sprach ebenfalls wenig, machte sich jedoch, wiewohl höchst ungeeignet für die Jagd, auf seine Weise nützlich. Er suchte nach eßbaren Früchten, die er auch ziemlich häufig fand, und da er zudem darauf bedacht war, mindestens nach außen hin den Anschein heiterer Laune zu wahren, lachte er bei dem geringsten Scherzwort, das Amédée Florence fallenließ, auf seine immer gleiche Art, nämlich mit dem Geräusch von entweichendem Dampf.
»Schade«, meinte Florence, »daß das, was bei Ihnen so zischt, kein Gas ist. Auch einen Motor haben Sie wohl nicht bei sich? Das würde uns trefflich helfen!«
Und der gute Doktor lachte von neuem, schon aus Prinzip.
Monsieur Poncin redete noch weniger, er tat einfach den Mund niemals auf. Er jagte nicht, er fischte nicht, beklagte sich aber auch nicht. Er tat einfach nichts, dieser Monsieur Poncin, als von Zeit zu Zeit irgendeine Eintragung in sein geheimnisvolles Heft vorzunehmen, was Amédée Florences Neugier immer wieder weckte.
Saint-Bérain war nicht anders als sonst, weder heiterer noch niedergeschlagener, als er beim Aufbruch gewesen war. Vielleicht war er sich gar nicht bewußt, in welcher Lage man sich befand, und sogar so zerstreut, daß er nicht einmal merkte, wenn er Hunger hatte.
Nach dem äußeren Anschein zu urteilen,
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