Das erste der sieben Siegel
In der
Verfassung sind MaÃnahmen für den Fall des nationalen Notstandes
vorgesehen â sie selbst ist diesen MaÃnahmen untergeordnet.
Artikel neun, Absatz eins. Soll ich es Ihnen aufschreiben?«
»Nein«, sagte Frank. »Ich glaube, das wird nicht nötig sein.«
»Das
Komische daran ist, dass wir die meiste Zeit rund ein halbes Dutzend
solcher Fälle haben. Iran, Irak, Angola, Libyen und so weiter â
bei allen handelt es sich um einen nationalen Notstand. Roosevelt hat
sogar einen nationalen Notstand erklärt, der dreiundvierzig Jahre
bestand â kein Witz! Von 1933 bis 1976. Also nimmt das eigentlich
niemand so besonders wichtig, es sei denn, irgendein armes
Würstchen â wie Sie â lehnt sich zu weit aus dem Fenster. Und
dann kriegt er Schwierigkeiten.« Fitch schwieg kurz, seufzte. »Wie
fühlen Sie sich?«
»Mir gehtâs gut«, sagte Frank.
Fitch
nickte. »Gut. Na, jedenfalls«, schloss er, »ist es überall das gleiche.
Jedes Land hat gewisse Bestimmungen für Fälle dieser Art. In Frankreich
nennt man das âºBelagerungszustandâ¹. In England â«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Das
ist ganz einfach: Wenn Sie diese Story an irgendwen verkaufen, kriegen
Sie jede Menge Ãrger. Erstens glaubt Ihnen sowieso keiner, und selbst
wenn, keiner würde es drucken. Das garantiere ich Ihnen.«
Frank sah ihn an. »Sind Sie vielleicht Lektor bei Readerâs Digest oder so was in der Art? Ich meine â«
Fitch
lachte leise auf. »Sehr witzig«, sagte er. Und dann erstarb sein
Lächeln. »Hören Sie, ich weiÃ, was Sie denken. Sie denken, wir können
Sie nicht aufhalten â«
»Oha«, unterbrach Frank ihn. »Kommt jetzt die Stelle, wo Sie mir sagen, dass Sie mich umbringen werden?«
Fitch blickte schockiert. »Natürlich nicht! Sie sind ein Bürger der Vereinigten Staaten.«
»Was dann?«
»Jetzt kommt die Stelle, wo ich Ihnen sage, dass Sie nichts beweisen können.«
»Blödsinn«, sagte Frank. »Einige Menschen sind umgekommen. Sie wurden auf der Fähre getötet â«
Fitch schüttelte den Kopf. »Einige Irre haben versucht, die Fähre zu entführen. Na und?«
»Ich bin angeschossen worden. Luc Solange â«
»War in Polizeigewahrsam, als Sie angeschossen wurden.«
Frank starrte ihn an.
»So was passiert doch alle naselang«, sagte Fitch. »Sie waren schlieÃlich in Harlem.« Lächelnd nahm er einen Zeitungsausschnitt aus seinem Koffer. »Der ist
eine Woche alt«, sagte er, »aber ich dachte, es würde Sie trotzdem
interessieren â¦Â«
J OURNALIST I N N EW Y ORK ANGESCHOSSEN
23. Mai (New York) â Frank Daly, ein Reporter der Washington Post, wurde gestern Abend in Harlem Opfer eines Raubüberfalls. Der Journalist, der zur Zeit für ein Jahr von der Post beurlaubt ist, liegt mit schweren Schussverletzungen im Columbia
Presbyterian Hospital. Sein Zustand wurde als kritisch beschrieben. Ein
Polizeisprecher erklärte, dass es noch keine Spur von den Tätern gibt.
Frank blickte auf. »Erstaunlich«, sagte er.
Fitch
lächelte ein wenig dümmlich. »Wir sind schon ziemlich gut, wenn es
drauf ankommt.« Dann wurde er wieder ernst. »Frank, das Problem, so wie
wir es sehen, ist folgendes: Nordkorea ist ein psychopathischer Staat.
Und derzeit sind die Leute da verzweifelt und haben nichts mehr zu
verlieren. Wenn die sich je dazu entschlieÃen sollten, Japan mit
Milzbrand oder Pockenviren anzugreifen, könnten sie das in null Komma
nichts. Dafür brauchten sie bloà Wetterballons einzusetzen oder auch
nur die Leute, die sie schon vor Ort in Tokio haben. AuÃerdem haben wir
einige amerikanische Bataillone in der Gefahrenzone stationiert, knapp
auÃerhalb der EMZ. Die Sache ist also die: Wir wollen sie nicht zum
ÃuÃersten treiben, verstanden?«
»Meine Ohren sind ganz gut«, sagte Frank.
»Und aus Ihrer Sicht stellt sich die Situation nicht viel besser dar. Sie haben keine
Virenprobe oder irgendwas Vergleichbares. Und Sie haben auch keine
Zeugen. Wenn Sie nun also überall was von toten Norwegern und der
Spanischen Grippe rumerzählen, bringt Sie das nicht weiter â es
sei denn, wir beschlieÃen, Sie irgendwo weit weg zu bringen. Was wir
selbstverständlich tun könnten.«
»Da wäre Annie Adair«, sagte Frank.
»Was
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