Das erste der sieben Siegel
zum anderen. »Und wie lautet die Frage?«
Karalekis hob die Augenbrauen. »Nun … ich meine, wo kriegen sie sie her?«
Die Frage schwebte eine Weile in der Luft. Schließlich lachte Voorhis leise vor sich hin. »Sie nehmen uns auf die Schippe, nicht?«
»Wie bitte?«, fragte Karalekis.
»Sie nehmen uns auf den Arm.«
Jetzt blickte Karalekis verwirrt. »Nein«, sagte er. »Ganz und gar nicht. Wie kommen Sie darauf?«
»Naja, weil …«, Voorhis grinste übers ganze Gesicht. »Wir reden hier von der Grippe, Himmel Donnerwetter noch mal! Jeder kriegt sie. Es geht nicht um Ebola. Auch nicht ums Q-Fieber! Wieso sollten die Koreaner mit so was wie der Grippe herumspielen, wo sie doch was weiß ich haben? Milzbrand! Sarin! Es muss unzählige Sachen geben, die gefährlicher sind.«
Epstein und Karalekis blickten einander kurz an. Dann wandte sich Epstein wieder an Voorhis. »Ich glaube, Sie verstehen nicht ganz«, sagte er. »Die Sterblichkeitsrate bei der Spanischen Grippe –«
Voorhis blickte skeptisch. »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Sie ist ein Monster. Aber sie ist nicht giftig. Man würde damit keine Armee angreifen.«
»Das stimmt«, bemerkte Karalekis. »Vermutlich nicht. Aber wenn man den Feind schwächen wollte – die Zivilbevölkerung systematisch angreifen –, dann wäre die Spanische Grippe ein äußerst effektives Mittel.«
Epstein schaltete sich ein. »Ich bin erst letzte Woche die Zahlen durchgegangen«, sagte er. »Nehmen wir zum Beispiel New York: Dort gibt es sechsundfünfzig Krankenhäuser mit Notaufnahme – achttausend Betten. Das ist alles! Oder fast: Es gibt noch ein paar Entseuchungswagen – zwei – , von denen jeder vielleicht drei Leute pro Stunde behandeln kann.« Er hielt inne. »Ein biologischer Angriff auf New York oder irgendeine Großstadt wäre … katastrophal.«
»Der andere Aspekt der Grippe ist natürlich der, dass sie sich von allein ausbreitet«, sagte Karalekis. »Wenn sie einmal angefangen hat, setzt eine Art Kettenreaktion ein: Das Virus oder die Bakterie produziert immer mehr von sich. Wie bei einem Kernreaktor. Aber andererseits ist sie mit einer Neutronenbombe vergleichbar, denn sie fügt der Infrastruktur des Feindes keinerlei Schaden zu. Sie tötet die Menschen und lässt die Gebäude intakt.«
Voorhis brummte. »Also, wie tödlich ist das Zeug denn nun?«
»Tja«, erwiderte Karalekis, »mit dem richtigen Bazillus … könnte man theoretisch eine Art biologischen Flächenbrand entfachen, der alle Menschen auf dem Planeten töten würde – es sei denn, sie sind immunisiert worden.«
»Verstehe«, sagte Voorhis. »Aber wir reden hier nicht ›theoretisch‹. Wir reden über diesen Bazillus in Nordkorea. Wie tödlich ist er?«
»Okay. Lassen Sie es mich mal so ausdrücken«, sagte Karalekis. »Im Herbst 1918 tötete die Spanische Grippe über eine halbe Million Amerikaner. Das ist mehr, als in den beiden Weltkriegen, Korea und Vietnam zusammen gestorben sind. Und es hat nur vier Monate gedauert.«
»Was ist mit der Pest?«, fragte Fitch. »Die muss doch noch schlimmer gewesen sein.«
Karalekis schaukelte hin und her, dachte über den Einwurf nach. »Möglich. Aber die Pest brauchte für das, was sie anrichtete, immerhin zwanzig Jahre. Die Spanische Grippe hat zwanzig oder dreißig Millionen Menschen in nur zwölf Monaten getötet.«
»Himmel«, flüsterte Fitch.
Epstein wandte sich an Voorhis. »Sie haben vorhin Ebola erwähnt«, sagte er. »Nun, dabei handelt es sich durchaus um eine fürchterliche Mikrobe, aber … sie ist stabil. Und die Wahrheit ist, man kann sie sich nur schwer zuziehen.«
»So schwer wie Aids«, sagte Karalekis.
»Es muss zu einem Austausch von Körperflüssigkeiten kommen – und damit meine ich nicht niesen«, sagte Epstein weiter. »Aber bei der Grippe … tja! Wie Sie eben gesagt haben: ›Jeder kriegt sie.‹«
»Und sie ist alles andere als stabil«, fügte Karalekis hinzu. »Wir haben für die Grippe im nächsten Jahr keinen Impfstoff –«
»Genauer gesagt«, sagte Epstein, »wir haben für die Grippe vom letzten Jahr keinen Impfstoff. Und die einfache Wahrheit ist die, dass die Spanische Dame das tödlichste Ereignis in der Geschichte der Medizin war.«
»Und das in ihrem natürlichen Zustand«, sagte Karalekis.
»Was meinen Sie mit ihrem natürlichen Zustande«, fragte Fitch.
»Nun, ich spekuliere nur, aber … wenn die Koreaner angefangen haben, mit dem Bazillus herumzuspielen, an den Genen
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