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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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ruß- und sandbesprenkelt, und Dieselschwaden hingen in der Luft. Was ihm aus fünfzehnhundert Metern Höhe wie ein Weihnachtsdorf erschienen war, entpuppte sich nun als eine ganz gewöhnliche, ziemlich moderne Stadt. Später erfuhr er, dass die Stadt im Zweiten Weltkrieg von den Nazis besetzt gewesen war und der Hafen als Stützpunkt für U-Boote gedient hatte, die von dort ihre Angriffe in den Nordatlantik starteten. Als die Deutschen schließlich vertrieben wurden, steckten sie die Stadt in Brand, sodass fast nichts mehr aus der Zeit vor dem Krieg übrig war.
    Außer vielleicht der Mann an der Rezeption im Hotel ›Aurora‹, ein bleicher über Siebzigjähriger, der darauf bestand, Frank das Gepäck aufs Zimmer zu bringen. Dort packte Frank seine Taschen aus, nahm eine lange heiße Dusche und ging wieder nach unten in die Lobby.
    Laut dem Zeitplan, den Annie Adair ihm gegeben hatte, würde die Rex frühestens am Samstag aus Kopervik zurückkehren. Damit hätte er eigentlich zwei freie Tage, doch nach allem, was geschehen war, hielt er es für ratsam, sich zu erkundigen, wie weit das Schiff noch entfernt war. Frank fragte an der Rezeption, wo das Büro des Hafenmeisters war, und der alte Mann gab ihm eine Hochglanzbroschüre mit einem Stadtplan auf der Rückseite.
    »Es ist gleich hier«, sagte er und zog eine Linie von Sie befinden sich hier zu einer Straßenecke in der Nähe des Hafens.
    Draußen war es fünf Grad über Null und bedeckt; die Sonne war nur noch ein matter Schimmer am Horizont. Die Luft war klamm, und von Westen her blies ein rauer Wind, der nach Meer roch. Obwohl der Hafen nur zehn Minuten vom ›Aurora‹ entfernt war, kam Frank völlig durchgefroren dort an.
    Und er war überrascht. Der Hafen war größer und belebter, als er erwartet hatte. Er ließ den Blick schweifen und sah zu, wie ein riesiger Kran über einen kroatischen Frachter schwenkte und mit klirrendem Getöse dessen Containerfracht entlud. Lagerhäuser säumten die Straße, die den Kai entlangführte, und Fischkutter schaukelten in dem plötzlich unruhigen Wasser. Über ihm krächzten Möwen, die in der böigen Luft kreisten, und in der Nähe spülte eine Frau in Arbeitskleidung mit einem Wasserschlauch glitzernde Fischschuppen vom Kai ins Meer.
    Vor der Hafenmeisterei klapperte eine Metallplatte im Wind, die an das Speisekartenschild eines Restaurants erinnerte. Daran befestigt war eine gedruckte Liste mit den für den Tag geltenden Ankunfts- und Abfahrtszeiten, den Namen der Schiffe, ihren Flaggen und Heimathäfen. Er las sie träge durch – die Anelise, die Goran Kovasic, die Stella Norske – , ohne damit zu rechnen, dass die Rex Mundi aufgeführt war, da es sich offenbar um einen täglich wechselnden Fahrplan handelte. Aber da stand sie:
    Amkomft 1250       Skip Klara               Hammerfest
    Amkomft 0240        Skip Rex Mundi        Murmansk
    Er sah auf seine Uhr. Es war kurz vor halb zwei. Wenn hier kein Fehler vorlag, dann würde die Rex zwei Tage früher eintreffen als planmäßig vorgesehen, und zwar in etwa anderthalb Stunden. Er eilte ins Büro des Hafenmeisters, um zu fragen, ob der Plan stimmte, und wenn ja, wo das Schiff anlegen würde.
    Er hatte einen alten Seebären mit Lesebrille und roter Gesichtsfarbe erwartet, doch der Hafenmeister entpuppte sich als ein junger Mann mit langem schwarzen Haar, das so straff nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden war, dass seine Augen einen asiatisch schrägen Blick hatten. Er saß vor einem lädierten Monitor, die Füße auf dem Schreibtisch, und las im Rolling Stone. Die in der Decke eingelassenen Lampen beleuchteten die blonden Haaransätze dicht über der Kopfhaut.
    »Ich habe mir den Fahrplan angesehen«, sagte Frank.
    Der junge Mann blickte auf. »Ja?«
    »Und da steht, da steht was von einem Schiff, die Rex Mundi  …«
    Der junge Mann warf einen Blick auf den Monitor und nickte. »Ja, ein Eisbrecher. Der Lotse ist bereits an Bord.«
    »Dann ist das also kein Fehler …«
    Der Pferdeschwanz schwang von links nach rechts. »Die Rex ist in einer Stunde an Kai C. Durch die Tür, nach rechts, dann bis ganz ans Ende.«
    Frank konnte es nicht fassen. Er hätte sie wieder verpassen können. Wofür hielten die sich denn, verdammt noch mal? Wie kamen sie dazu, ihm nicht Bescheid zu geben, dass ihr Zeitplan sich wieder geändert hatte? Was, wenn er nicht nach Hammerfest gekommen wäre? Was, wenn er in Archangelsk oder Murmansk geblieben

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