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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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gewickelt werden. Selbst wenn das Schiff einen Eisberg rammte und sank, würden die Leichen nirgendwohin gelangen. Selbst wenn die Fische sie sich nicht holten, die Rex befand sich mitten im arktischen Kreis, einer sich im Uhrzeigersinn bewegenden Strömung, die um den Nordpol zirkuliert: Alles, was über Bord ginge, würde für alle Zeiten um die Spitze der Erde treiben und das in Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
    Somit bestand eigentlich kein Grund zur Besorgnis. Das wusste sie, und die Stiftung ebenfalls. Sonst hätte sie das Forschungsprojekt bestimmt nicht doch noch bewilligt. Die einzige realistische Sorge war demnach, dass sich die Expedition als Zeitverschwendung erweisen könnte. Angenommen, die Leichen lagen zu dicht unter der Erdoberfläche? Angenommen, sie kamen nach Washington zurück und stellten fest, dass sie zuwenig viröses Material hatten, um damit zu arbeiten? Dann hätte sie nicht nur die Zeit aller Beteiligten verschwendet, sondern obendrein auch noch einen dicken Batzen Stiftungsgelder.
    Ihre Gedanken waren aufgewühlt, und das blieb auch so. Als sie später in ihrer Koje lag, die Augen schloss und versuchte einzuschlafen, musste sie an Frank Daly denken. In gewisser Weise war Daly ihre Schuld. In ihrer Begeisterung hatte sie ihm zugeredet, die Expedition zu begleiten, und musste dann erfahren, dass Doctor K die Idee entsetzlich fand. Sie hätte das Angebot ja rückgängig gemacht, aber Doctor K wollte nichts davon hören: »Das würde ihn nur misstrauisch machen«, hatte er gesagt. Als hätten sie irgendetwas zu verbergen.
    Und dass sie jetzt, nachdem er die lange Reise auf sich genommen hatte, ohne ihn aufgebrochen waren – nun, das reinste Desaster.
    Irgendwie würden sie das wieder gutmachen. Dafür würde sie schon sorgen. Doch bis dahin gab es viel zu tun.
    Sie drehte sich auf die Seite, zog das Kissen ans Kinn und stellte sich den Ablauf des nächsten Tages vor. Sie würde im Morgengrauen aufstehen, sich ihre Thermowäsche und den Schneeanzug anziehen, in der Messe eine Tasse Kaffee trinken und Doctor K helfen, die Ausrüstung zusammenzustellen. Anschließend würden sie und die anderen mit Schneemobilen zum Lager in Kopervik fahren. Die Schneemänner meinten, die Fahrt würde ungefähr eine Stunde dauern. In der Zwischenzeit würden Brian und Doctor K damit anfangen, die Ausrüstung per Hubschrauber nach und nach zum Camp zu transportieren.
    Und die Ausrüstung war gewaltig – die Jamesway-Hütte, die als Hauptquartier dienen würde, ein paar Zelte, zwei tragbare Generatoren, drei Fässer Diesel. Außerdem Kisten mit Verpflegung und Kochutensilien, Gewehre und Munition zum Schutz gegen Bären, Maurerwerkzeuge zum Graben sowie Presslufthammer und Schaufeln, eine Palette Leichentransportkisten, Seile und einen Behälter mit formalingetränkten Laken.
    Falls Doctor K Recht hatte, würde die Ausgrabung der Särge etwa drei Tage in Anspruch nehmen, vorausgesetzt, sie lagen nicht tiefer als einen Meter in der Erde.
    Sie erinnerte sich nicht, dass sie eingeschlafen war, aber das musste sie wohl, denn ganz plötzlich war es Morgen. Sie saß in dem Sessel neben ihrer Koje, mit einem Buch auf dem Schoß – ihr fiel wieder ein, dass sie mitten in der Nacht aufgestanden war. Auf den Knien hatte sie eine Decke, und über ihrer rechten Schulter brannte eine Lampe, deren Licht völlig unnötig war, denn es war taghell. Unwillkürlich drehte sie den Kopf zum Bullauge, und als sie den Himmel sah, blinzelte sie zweimal, rappelte sich dann auf wie eine Sechsjährige am Weihnachtsmorgen. Sie duschte so schnell wie nie zuvor in ihrem Leben, achtete darauf, dass ihre Haare trocken blieben, zog ihre Thermowäsche an und stieg in den Schneeanzug. Augenblicke später stand sie auf Deck und setzte sich die Schneebrille auf.
    »Wir haben Probleme, Schlafmütze.«
    »Was?«
    Brian huschte an ihr vorbei und eilte in Richtung Hubschrauber. »Probleme«, sagte er über die Schulter.
    »Womit?«
    Der Physiker ging weiter und zeigte, ohne sich umzudrehen, wortlos auf die Brücke. Zunächst verstand Annie nicht, doch dann sah sie es: Die Schiffsflagge stand horizontal und knatterte im Wind.
    Während er auf den Hubschrauber zuschritt, breitete Brian die Arme aus wie Flügel und schwenkte sie hin und her. »Wind!«, rief er.
    Anne erschrak. Sie verstand nichts von Hubschraubern. Wie viel Wind war zuviel?
    »Keine Sorge«, sagte Mark, der mit einem Becher Kaffee zu ihr kam. »Hier, der ist für

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