Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
Vom Netzwerk:
Sie.«
    »Danke.«
    »Es wird besser, nicht schlimmer.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte sie und nahm, den Becher in beiden Händen haltend, ein paar Schlucke.
    »Ich habe den Wetterbericht gesehen.«
    »Aber –«
    »Brian dramatisiert gern. Er möchte, dass alle denken, er holt für Sie die Kastanien aus dem Feuer, auch wenn das Feuer aus ist.«
    »Dann wird der Wind also –«
    »Vergessen Sie den Wind einfach.«
    Eine Stunde später waren sie auf dem Eis, eine Karawane leuchtend roter Schneemobile, die heulend über den gefrorenen Boden surrten, direkt in die Morgensonne hinein. Sie saßen jeweils zu zweit in jedem Snow-Cat, aber der Lärm war so ohrenbetäubend, dass Gespräche unmöglich waren. Annie störte es nicht. Es war der größte Tag in ihrem Leben. Ein Eisbär begleitete sie ein gutes Stück, trabte etwa im Abstand von hundert Schritten westlich von Ihnen, Weiß auf Weiß. Und dann, ganz plötzlich, war er weg, verschwunden wie der Rauch eines abgebrannten Streichholzes.
    Es war nichts zu sehen. Es war alles zu sehen.
    Auf halber Strecke nach Kopervik flog der Schiffshubschrauber langsam über sie hinweg. Seine Rotorblätter zerhackten die Luft. Annie winkte, und eine Sekunde lang war ihr, als ob der Hubschrauber antwortete, auf seinem Weg zu der verlassenen Siedlung einen kleinen Schwenk machte.
    Kurz darauf erreichten sie ein weites Schneefeld mit tiefen Spalten, Löchern und Vertiefungen, die sie ohne weiteres hätten verschlucken können. Auf Marks Anweisung hin fuhren sie ein Stück nach Westen zurück und machten einen langen Umweg nach Norden, um dem Feld auszuweichen.
    Endlich, etwa zwei Stunden nachdem sie vom Schiff aufgebrochen waren, fuhren sie schließlich dröhnend in Kopervik ein.
    Es war, wie Annie es sich vorgestellt hatte, ein Geistercamp. Und viel zu sehen gab es auch nicht. Eine dunkelgraue, fensterlose Kirche aus Holz mit einem kleinen Turm, eine ordentliche Reihe Hütten und ein Berg Ölfässer. Durch die Siedlung hindurch bis zu einem Bergwerksschacht neben einem unauffälligen weißen Hügel verlief eine gefrorene Piste.
    Jetzt da sie endlich vor Ort war, durchlief Annie ein Schauer der Erregung beim ersten Anblick der kühlen Leere des Camps, wusste sie doch, welche Geheimnisse es barg. Sie stand auf, schaute sich um und sah zu ihrer Überraschung Brians Hubschrauber auf dem Eis stehen, der darauf wartete, entladen zu werden.
    Annie lachte. »Auf geht’s«, sagte sie zu den Schneemännern und deutete auf den Helikopter. »Wir haben jede Menge Arbeit!«
    Der Friedhof lag hinter der Kirche, und in ihrer Ungeduld, einen Blick darauf zu werfen, stieß sie beinahe mit Doctor K zusammen, der um das Gebäude herum kam.
    »Hoppla!«, sagte sie und lachte überrascht. »Tut mir leid! Ich wollte bloß –« Der Ausdruck auf seinem Gesicht ließ sie erstarren, und einen langen Augenblick war sie nicht einmal sicher, dass er sie erkannte.
    »Annie«, sagte er dann und streckte die Hand nach ihrem Arm aus.
    Er wirkte so todunglücklich, dass sie es mit der Angst bekam, und sie wich zurück. »Was ist los?«, fragte sie, ohne es wirklich wissen zu wollen.
    Doctor K suchte nach Worten, wandte sich dann frustriert ab. »Etwas Schreckliches ist passiert«, sagte er.
    Annies Magen verkrampfte sich. »Was denn?«
    Doctor K drehte sich dem Friedhof zu, deutete dann mit einem Nicken über ihre Schulter auf die Seitenwand der Kirche.
    Annie drehte sich um. Erst jetzt sah sie, dass die dunkelgraue, mit Schindeln verkleidete Wand mit weißer Farbe beschmiert war. Graffiti? dachte sie. Am Nordpol? Sie blinzelte verwundert und trat von der Kirche zurück, um die Wand besser sehen zu können.
    Sie hob den Blick und sah, dass die plumpen Farbstriche ein einziges Bild ergaben, eine primitive Zeichnung, die sie an Picassos Guernica erinnerte.
    »Das ist ein Pferd«, sagte sie, sprach das Offensichtliche aus, während ihr Gesicht sich verfinsterte, als sie die wilden Augen, die gebleckten Zähne und die geblähten Nüstern des Tieres sah.
    Einen Augenblick lang sagten beide kein Wort. »Irgendjemand war hier«, sagte Anne. »Nicht wahr?«
    Doctor Ks Schultern sackten herab. »Ja«, sagte er. »Irgendjemand war hier.«

9
     Hammerfest, Norwegen
    27. März 1998
    Obwohl die reine Flugzeit nur dreieinhalb Stunden betrug, brauchte Frank Daly über anderthalb Tage von Archangelsk nach Hammerfest. Außer für die erste Etappe bis Murmansk gab es keine täglichen Anschlussflüge. Von Murmansk nach Tromsø ging

Weitere Kostenlose Bücher