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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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Klatsch und Tratsch.
    Was ihn zur Johnson Foundation getrieben hatte, war die Aussicht auf eine weitere Beförderung. Er sollte im Weißen Haus über die Präsidentenfamilie berichten, aber diesmal in Form von ›Features‹. Diese Vorstellung entsetzte ihn derart, dass er sich für das Johnson-Stipendium bewarb. Sein vorgeschlagenes Projekt sollte die Erkundung der ›schönen neuen Welt‹ bislang unbekannter Viren sein.
    Auf diese Weise konnte er sich ein Jahr bei der Post beurlauben lassen, ohne gleich den Boden unter den Füßen zu verlieren. Und derweil konnte er sich Gedanken darüber machen, wer er eigentlich war und was er eigentlich tun wollte – während er über ein Thema schrieb, das ihn ehrlich interessierte.
    Während Frank die Lichter der Autoscheinwerfer beobachtete, die über die Decke glitten, dachte er darüber nach, wer er im Moment eigentlich war. War er wirklich jemand, der, wie sein Onkel Sid es ausgedrückt hatte, ›bis ins nächste Jahrhundert stur‹ blieb? Vielleicht. Wahrscheinlich. Es sah jedenfalls ganz danach aus.
    Aber dann dachte er, verdammt, was soll’s, vielleicht ist der Zeitpunkt ja doch gekommen. Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer der Auskunft in Kerwick.
    Es ertönte ein Rufton, und dann sagte eine Frauenstimme: »Die von ihnen gewählte Vorwahl hat sich geändert. Die neue Nummer lautet …«
    Mein Gott, dachte er, es war wirklich lange her. Sie hatten die Vorwahl für seine Kindheit geändert.

17
    Als er sich am nächsten Morgen seinen Kaffee kochte und am Küchentisch die Washington Post las, fühlte er sich erschöpft.
    Er hatte bis drei Uhr nachts an dem Artikel über Sin Nombre gearbeitet, war aber noch immer nicht fertig. Leider nicht, denn heute war der zweite Freitag im Monat und somit Abgabeschluss für das Mitteilungsblatt der Johnson Foundation. Wenn er allerdings nicht heute die Hafenämter anrief, würde er bis Montag warten müssen.
    Einen kurzen Moment erwog er, in der Foundation Bescheid zu sagen, dass er seinen Artikel später abgeben würde; sein Vater liege auf der Intensivstation und …
    Nein. Er würde die Krankheit seines Vaters nicht als Ausrede benutzen, um den Abgabetermin zu verschieben. So mies war er denn doch nicht. Stattdessen wollte er bis Mittag an dem Sin-Nombre- Artikel arbeiten – besser gesagt, bis er ihn fertig hatte  – und dann anfangen, die Häfen anzurufen. Und was seinen Vater betraf … da würde er später anrufen.
    Um zwei Uhr steckte der Artikel im Rucksack eines Fahrradkuriers und war unterwegs zu Jennifer Hartwig. Das Begleitschreiben zu der Story beinhaltete die kleinlaute Bitte, ihm die bislang angelaufenen Kosten zu erstatten.
    Ich hätte nie gedacht, dass meine gute Fee eine fast einsachtzig große Kalifornierin ist, dachte Frank.
    Das Thai-Restaurant lieferte ihm ein Mittagessen, das er direkt aus der Verpackung aß, während er sich durch die Liste der Hafenämter arbeitete.
    Es war eine mühselige Angelegenheit und vermutlich reine Zeitverschwendung. Aber es war auch die einzige Spur, die er hatte. Also stürzte er sich in die Arbeit, und nach einem halben Dutzend Anrufe konnte er sein Sprüchlein wie in Trance runterbeten.
    Wie schnell er eine Antwort bekam, hing von der Intelligenz und Kooperationsbereitschaft der Person am anderen Ende ab. Manchmal bekam er schon nach einer Minute die erwünschte Auskunft. Manchmal brauchte er zehn Minuten, bis er sich, vor Ungeduld mit den Fingern auf dem Schreibtisch trommelnd, die schwachsinnigen Aufzählungen unerwünschter Alternativen der automatisierten Telefonzentralen angehört hatte.
    Außerdem waren erstaunlich viele Leute ›nicht an ihrem Platz‹, sprachen gerade ›auf der anderen Leitung‹, waren ›zum Mittagessen‹ oder einfach ›nicht im Hause‹. Trotzdem hatte er um vier Uhr nachmittags schon neunzehn Häfen erreicht, von denen elf definitiv ausgeschlossen werden konnten. Entweder hatten sie im ganzen letzten Jahr keinerlei Leichenüberführungen gehabt, oder falls doch, so waren sie vor September 1997 erfolgt. Damit blieben aber noch immer Dutzende von Häfen, die er anrufen musste.
    Er stand auf und reckte sich. Das konnte noch ewig dauern.
    Und dann hatte er Glück.
    Das Telefon läutete, und eine Frau namens Phyllis, die im Bostoner Hafen arbeitete, war am Apparat. Mit sachlicher Stimme teilte sie ihm mit, dass der Hafen im vergangenen Jahr acht Rückführungen sterblicher Überreste von Amerikanern abgewickelt habe – fünf

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