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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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Gesichtsfeld flimmerte, und das letzte, was er sah, bevor ihn seine Sinne verließen, war Tasi-ko, das in einem Flammenmeer erbebte.
    Als er erwachte, war es dunkel, und in der Luft lag der beißende Geruch von Rauch. Sein Gesicht fühlte sich an, als wäre ihm die Haut von den Wangen geschält worden, und sein Hinterkopf dröhnte so rhythmisch wie eine Trommel. Mit den Fingern der rechten Hand befühlte er die schmerzende Stelle, direkt hinter dem rechten Ohr, und zog jäh die Hand zurück, schockiert über die blutende Beule. Einen Augenblick lang hob sich ihm der Magen, und ihm war, als würde ihm gleich die Brust von innen nach außen gekehrt. Aber nichts geschah.
    Maschinen dröhnten in der Ferne, irgendwo links und ganz weit unten.
    Unten. Wo war er?
    Langsam setzte Kang sich auf und schaute sich um. Er war auf einem Berggrat, genau wie der oberhalb von Tasi-ko. Der Boden war eisglatt, und hier und da staken Baumstümpfe aus dem Schnee. Er drehte sich nach dem Lärm um und sah, wie Bulldozer über ein Schuttfeld vor- und zurückfuhren, im Scheinwerferlicht von einem halben Dutzend Lkws.
    Er war auf einem Berg mit Blick auf eine Baustelle. Aber wie war er dorthin gekommen? Er hatte Holz geschlagen und … Der Schmerz in seinem Kopf machte das Denken unmöglich. Ein Strom unvollständiger Bilder wand sich durch seinen Schädel: ein braunes Flugzeug, ein Jeep, das Gesicht seiner Frau – Feuer.
    Er brauchte einen Arzt, und instinktiv rief er nach den Männern da unten. Aber natürlich konnten sie ihn nicht hören. Er rappelte sich auf und stieg den Hang hinab, schrie gegen den dröhnenden Lärm der Bulldozer an. Eine kleine Lawine Steine und Felsbrocken rollte ihm voraus, und als er näher kam, sah er zum ersten Mal, dass die Bauarbeiter ausschließlich Soldaten waren und dass die Soldaten Gasmasken trugen.
    Seltsam.
    Er war den Hang zur Hälfte hinabgestiegen, als einer der Soldaten ihn sah und anfing zu rufen. Erleichtert blieb Kang stehen, um zu verschnaufen, und inmitten einer Gruppe von Felsbrocken stehend, winkte er und rief zurück. Dann geschah etwas Sonderbares. Der Soldat hob seine Kalaschnikow in Brusthöhe und feuerte auf die für ausgebildete Soldaten typische Art und Weise los, mit kurzen Salven, die sich fast so anhörten wie der telegraphische Code, den Schiffe auf See verwenden.
    Und während das geschah, dehnte sich der Augenblick aus. Plötzlich wusste Kang, wo er war – nämlich genau dort, wo er vermutet hatte: auf dem Berg oberhalb von Tasi-ko. Und dann schoss es ihm durch den Kopf: Die bringen alle um.
    Der Felsbrocken neben ihm spuckte Steine, als 9-mm-Kugeln in ihn einschlugen. Doch Kang rührte sich nicht von der Stelle. Seine Augen waren in die Ferne gerichtet, ignorierten die auf ihn zulaufenden Soldaten, starrten stattdessen auf die Kraterlandschaft, die qualmend im Licht der Lkw-Scheinwerfer lag. Tasi-ko war verschwunden.
    Die Erkenntnis beängstigte ihn noch mehr als die Gewehre, beängstigte ihn wie noch nie etwas in seinem Leben. Denn es war eine Angst, die keinen Ausgangspunkt hatte und die auf nichts gerichtet war. Sie kam von innen und außen zugleich. Es war blankes Entsetzen, rein und gewaltig, und es entströmte ihm wie Hitze einem Feuer.
    Jäh aus seiner Erstarrung gerissen, drehte Kang sich um und lief los, kletterte von Stein zu Stein den Berghang hinauf, von einem Schatten zum nächsten. Hinter ihm verloren seine Verfolger allmählich an Boden, je tiefer sie in die kalte, dunkle und unbekannte Bergwelt kamen. Sie schwenkten ihre Taschenlampen in großen, nutzlosen Bögen. Bald war klar, dass sie keine Ahnung hatten, wohin er geflohen war, und dass sie sogar langsam fürchteten, sie selbst könnten sich verirren.
    Dennoch rastete Kang nicht. Im Gegensatz zu sonst fühlte er sich alles andere als unbeholfen mit seinem Holzbein, sondern er bewegte sich mit fehlerfreier Effizienz voran, unsichtbar wie ein Schatten in der Nacht. Die Lungen brannten ihm, und seine Oberschenkelmuskeln hatten fast keine Kraft mehr, trotzdem ging er immer höher und höher in die Berge, bis die Stimmen der Soldaten nicht mehr zu hören waren und die Bulldozer verstummten.
    Nach vier oder fünf Stunden in der klirrenden Kälte war sein Hemd schweißnass und sein Stumpf wund und blutig. Seine Finger waren steifgefroren, er hatte eine schwere Kopfverletzung, und sein Gesicht war mit Blasen bedeckt. Die Körperteile, die ihm keine Schmerzen bereiteten, waren abgestorben. So einfach war das.
    Aber

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