Das erste Schwert
zu gedulden.
Also wartete er mit gesenktem Haupt und ergab sich ganz der müßigen Betrachtung des alten Mosaiks in der Nische nahe der Tür.
Das Bildnis zeigte einen Ghaz-Alim-Bastard, der, beide Hände wie ein heidnischer Zeremonienmeister erhoben, seine verderbliche
Magie beschwor – und von einem Blitz aus heiterem Himmel niedergestreckt wurde. Es war eine verkleinerte Wiedergabe jenes
Mosaiks, welches den Eingangsbereich des großen Shal Addim-Domes zierte und dem einfachen Volk die Gefahren der Verfluchten
Gabe eindrucksvoll vor Augen führte. Bruder Boydos’ Blick verweilte beim Schädel des Mannes, dort, wo er vom Blitz zerspalten
wurde, und bewunderte, wie lebensecht der Künstler die wunderliche Mixtur aus Böswilligkeit und Furcht im nach oben gewandten
Gesicht des Mannes eingefangen hatte.
Als die scheußlichen Laute bei der Mauer versiegten, löste sich Boydos aus dem Schatten des Säulenganges und begab sich gemächlichen
Schrittes, ganz wie es einem ehrwürdigen Dienes Gottes zustand, zu ihnen hin. Kaum dass die Männer |388| seiner schwarzen Robe angesichtig wurden, kauerten sie sich in einer Ecke des Hofes zusammen. Beide waren sie noch recht jung,
wie Bruder Boydos erst jetzt auffiel.
Noch nicht so weit, die Last der Befehle Seiner Heiligkeit zu tragen,
dachte er.
Und erst recht nicht, das mitanzusehen, was mitanzusehen sie gezwungen waren.
Gut,
dachte er – und hatte seine Entscheidung getroffen.
Das macht sie zur willfährigen Beute für jeden, der auf der Suche nach einem Paar eifriger Diener ist. Und hier und jetzt
bin ich das.
Er hielt an, zupfte sich an der langen Nase und schob seine Kapuze gerade lange genug zurück, dass die demütig kauernden Schäflein
den Ausdruck des Missfallens auf seinem Gesicht wahrzunehmen vermochten. Der Mann, der ihm am nächsten war, derjenige mit
dem blassen, pickeligen Gesicht und der so unmöglich abgeflachten Nasenspitze stieß ein tierhaftes Wimmern aus und kroch auf
allen vieren von ihm weg.
Vielleicht sind sie bereits zu mürbe gemacht, um jemals noch gute Söldner abzugeben,
überlegte er ohne jede Gefühlsregung.
Andererseits sollte ich nicht zuviel von ihnen erwarten. Das da sind keine Majat.
Also richtete er das Wort an sie – in jenem ruhigen Tonfall, der bisher noch jeden bewogen hatte, ihm Hals über Kopf zu Diensten
zu sein: »Säubert euch!«
Die blauen Augen der Kerle stierten für die Dauer eines Herzschlags blicklos ins Leere. Dann rafften sie sich auf und stürzten
zu dem Springbrunnen im Zentrum des Hofes hin. Sie plantschten so zappelig wie Vögel, die ein Staubbad nahmen. Immer wieder
warfen sie ihm angsterfüllte Blicke zu. Bruder Boydos lächelte in sich hinein und beobachtete nur schweigend.
»Nun«, sagte er schließlich, noch kühler als zuvor – und zwang sie damit, in ihrem Gespritze innezuhalten und sich ihm zuzuwenden.
»Kommt her zu mir. Ich habe euch einige Fragen zu stellen.«
|389| Gehorsam kamen sie herbeigetrottet und starrten ihn an, als sei er eine angriffsbereit aufgerichtete Schlange.
»Wie heißt du?«, fragte er den Entengesichtmann.
»Jareth«, antwortete jener leise.
»Und du?« Boydos wandte sich dem zweiten Mann zu; dessen breites Gesicht wurde von einem Netzwerk winzigster Narben überzogen.
Was darauf schließen ließ, dass er entweder bereits raue Zeiten erlebt oder sich aber womöglich nur zu nahe an etwas herangewagt
hatte, das schließlich explodiert war.
Wie mag Haghos zu diesen beiden
Jüngern
gekommen sein?
, fragte er sich, nicht zum ersten Mal.
»Sadeel heiß’ ich«, sagte der Mann, und seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern.
Bruder Boydos atmete tief und betrachtete sie mit Wohlgefallen. Sie waren bereit, in seine Dienste zu treten.
»Nun«, sagte er abermals und legte jenes wohlkalkulierte Klirren unterschwelliger Drohung in seine Stimme. Er hatte das Geschenk
der Ghaz Alim nicht empfangen und vermochte nicht, wie der Allheilige Vater, direkt auf den Menschenverstand einzuwirken;
seine schwarze Robe jedoch, im Verbund mit der erst unlängst erfahrenen geistigen Schändung – diese beiden erbrachten denselben
Erfolg. »Ich biete euch die Chance, euren Wert für mich unter Beweis zu stellen.«
Schafe,
durchfuhr es ihn erneut, als er ihren Eifer sah. Auch die neu aufglimmende Hoffnung jenseits des Eifers und der immer noch
mit Angst übervollen Augen entging ihm nicht.
»Also! – Erzählt mir alles, was in den Waldlanden
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