Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
und mühte sich, zu sich zu kommen. Mühte sich, jenes
     wunderbare Gefühl loszulassen, das seinen Körper starr und hilflos machte. Kara. Er verzehrte sich nach ihr. Er wollte sie
     nicht loslassen.
    |385| »Hey, Junge! Versuch dein Glück! Spring durch’s Feuer!«, rief ihm ein junger Krieger zu.
    Der Bann fiel von ihm ab. Skip drehte sich um und erblickte nahebei eine große Leiberschar. Männer und Frauen standen in einer
     langen Reihe vor dem Ulaijim-Feuer. Derjenige, der gerufen hatte, ein Junge, der annähernd so alt sein mochte wie Skip, nahm
     Anlauf und rannte los; sein hüftlanger Zopf wirbelte im Wind. Dann – der Sprung. Der Junge verschwand in den Flammen. Seine
     Zehenspitzen streiften die Spitze des lodernden Holzstapels, Flammen prasselten wie im Zorn, aus unzähligen Cha’ori-Kehlen
     gellte ein Schrei. Da landete er, in einen Funkenschauer gehüllt, schon auf der anderen Seite. Alle pfiffen begeistert.
    Abrupt wandte Skip sich ab und stapfte davon. Er wollte Kara finden. Er konnte es nicht ertragen, ohne sie zu sein.
     
    Sie saß allein am Abgrund der Uferböschung. Der Mond, der inzwischen hoch am Himmel stand, spiegelte sich silberhell in den
     rasch eilenden Wassern. Aus dieser Entfernung war das Freudenfeuer nur mehr ein Irrlicht, das einen fahlen, orangeroten Klecks
     in den Nachthimmel warf. Vergangen schienen Musik und Gelächter; nur gelegentlich noch trug ein verspielter Nachtwind den
     Widerhall ferner Echos herbei.
    Skip nahm es mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis und blieb neben Kara stehen. Sie regte sich nicht.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Du hast gesagt, du willst keine Aufmerksamkeit auf
     dich ziehen. Und auch nicht tanzen. Ich hätte deinen Wunsch respektieren müssen. Es – es ist nur so, dass ich   –« Er konnte nicht weitersprechen. Er wagte es nicht.
    Sie sah zu ihm herauf. Das Mondlicht verwandelte ihr Gesicht in eine starre Silbermaske. »Setz dich.« Es war ein Befehl.
    |386| Hastig ließ er sich neben ihr nieder.
    »Niemand hat mich jemals so berührt«, sagte sie leise. Sie suchte ihre Anspannung vor ihm zu verbergen – jedoch entging sie
     ihm nicht. »Nicht – so.« Sie verstummte. Ihre Stimme klang so unnatürlich ruhig, dass Skip erschrak und unwillkürlich an Samt
     denken musste, unter dem stoßbereit eine scharfe Messerklinge wartete.
    Skip wollte sie so nicht sehen, so verzweifelt. Er verzehrte sich danach, sie ganz nah bei sich zu haben. Doch seine Nähe
     schien ihr Unwohlsein zu bereiten. Er wollte nicht, dass es ihr schlecht ging. So wahrte er das Schweigen. Horchte auf ihre
     Atemzüge. Darauf, dass sie weitersprach.
    »Ich bin’s nicht gewohnt, anderen Menschen nahe zu kommen«, flüsterte sie. Dann brach es aus ihr heraus, mit zunehmend festerer
     Stimme: »Ich kann’s mir nicht leisten. Es steht im Widerspruch zu meiner Erziehung und allem, was ich
bin
.« Jetzt sah sie zu ihm herüber; wie einen Dolchstich spürte er es tief in seinen Augen. »Das wird sich niemals ändern! Ich
     kann’s mir nicht gestatten, anderen nahe zu kommen – und will es auch nicht! Ganz besonders nicht dir, Skip.«
    Ihr Kopf ruckte herum, ihre Augen suchten den Fluss, tief unten. Im unsteten Silberlicht des Mondes meinte Skip ihre Lippen
     zittern zu sehen. Dieser flüchtige Eindruck war im nächsten Moment schon ausgetilgt und ihr Gesicht wieder so gefasst wie
     eh und je.
    Alles in ihm schrie danach, dagegen aufzubegehren. Er wollte ihr zuhauchen, dass sie für ihn die begehrenswerteste Frau der
     ganzen Welt war; wollte sie fragen, warum sie ausgerechnet und insbesondere ihm jede Nähe versagte – wenn er doch fühlte,
     dass es gerade ihnen beiden bestimmt war, einander nahe zu sein. Er wollte ihr Gesicht berühren, sie in die Arme nehmen, ihre
     Wärme spüren und ihren Blumenduft atmen. Doch sie saß so reglos, so unnahbar und eisig still |387| neben ihm, kein menschliches Wesen mehr, nur eine vom Mondlicht aus der Nacht geschnittene Silbergestalt – und aller Mut verließ
     ihn.

Der Oberste Inquisitor
    Nach langem Irrweg durch die Labyrinthe des Klosters fand Bruder Boydos die beiden Söldner schließlich in dem kleinen Hof
     neben der Herzkapelle. Vornübergekrümmt erbrachen sie sich gegen die Kapellenmauer. Bruder Boydos ließ ihnen Zeit. Da sie
     nun also Zeuge geworden waren, auf welche Art und Weise ihren unglückseligen Anführer sein Tod ereilt hatte, blieb ihm gar
     keine andere Wahl, als sich

Weitere Kostenlose Bücher