Das erste Schwert
geschehen ist. Und ich meine:
wirklich
alles. Jede auch noch so winzige Kleinigkeit will ich von euch hören. Beginnt damit, wo und wann Seine Heiligkeit euch in
Dienst genommen hat und wie genau eure Befehle lauteten.«
Die Männer starrten ihn einen Moment lang ohne zu blinzeln |390| an. Boydos vermutete schon, der Verstand der beiden könnte mehr in Mitleidenschaft gezogen worden sein, als bislang angenommen.
Dann leckte sich der Entenmann Jareth die Lippen und fletschte die Zähne. Das nervöse Zittern seines Unterkiefers vermochte
er dennoch nicht unter Kontrolle zu bringen.
»Seine Heiligkeit erteilte alle Befehle nur direkt an – an Gallen.« Seine Stimme senkte sich zu einem Wispern. Dann reckte
er sich, als sei ihm nachträglich noch ein Einfall gekommen – und fügte hinzu: »Eure Heiligkeit.«
»Oh!« Die korrekte Ansprache für den Obersten Inquisitor lautete
Eure Wahrheit,
doch seinen Rang mussten sie nun wirklich nicht kennen. Niemand wusste besser als er, dass in diesen Zeiten angeraten war,
so wenige Hinweise wie irgend möglich auf die eigene Identität zu geben. Wer nichts wusste, vermochte selbst unter der Folter
auch nichts preiszugeben. »Nennt mich einfach
Bruder
.«
»Ja, Bruder«, hauchten beide und verneigten sich so tief es ihre zitternden Leiber nur gestatteten.
»Nun berichtet mir!«, forderte Boydos sie auf und suchte dabei die sanften und toleranten Untertöne des Allheiligen Vaters
zu imitieren. »Wie lauteten eure Befehle?«
Die beiden Männer wechselten einen raschen Blick. Wiederum war es der Entenmann, der sprach: »Wir sollten – sollten jenem
Mann folgen, der von den Bewahrern zu den Wirrholz- und Haindörfern in die Waldlande geschickt worden war. Seine Heiligkeit
befahl, ihn abzufangen und in Erfahrung zu bringen, was er bei sich trug. Es war die Rede von einem Päckchen. Das sollten
wir herbringen.«
»Und?«, drängte Bruder Boydos.
Dieses Mal ergriff Sadeel das Wort – eifrig bestrebt, auch
seinen
Wert zu demonstrieren: »Und man wies uns an, das Ziel des Boten herauszufinden. Und damit den ursprünglichen Empfänger des
Päckchens.«
|391| Boydos lächelte eisig. »Ich vermag dir zu folgen, Sohn.«
Er duckte sich, als befürchte er einen Schlag. »Wir sollten den Empfänger über ein ganz bestimmtes Schwert befragen.«
»Es gibt viele Schwerter, selbst in den armseligen Dörfern der Walder«, wandte Bruder Boydos ein und tat sein Möglichstes,
um weiterhin sanft und ermutigend zu klingen. Er wollte diese Kerle so gesprächig halten wie nur irgend möglich.
»Dieses eine Schwert sei anders als alle anderen, wurde uns gesagt«, erklärte Sadeel. »Nobel sei es. Von den algarianischen
Handwerksmeistern noch nach alter Art geschmiedet.«
Also sind sie ahnungslos, um was für eine Klinge es sich handelte,
urteilte Bruder Boydos im Stillen für sich. Und es mochte nur rechtens sein, so wenigen Menschen wie möglich die Tatsache
zu offenbaren, dass das erste Schwert – größter Schatz des ehrwürdigen Shandorianischen Reiches und einzig bekannte Möglichkeit,
vor aller Welt glaubhaft den neuen König zu legitimieren –, dass eben dieses erste Schwert also verschwunden war.
Vielleicht
, sann Boydos,
wäre es das Beste, die Klinge bliebe für alle Zeiten verschollen
. Wiewohl es natürlich als gesicherte Wahrheit galt, dass der neue Erbe, der Hochgebieter Edmond, von einer angemessen königlichen
Blutlinie herstammte. Jedoch, wer mochte schon mit letzter Gewissheit sagen, wie sich die genetischen Veränderungen, die man
an dem ursprünglich reinen Ellitand-Erbgut vorgenommen hatte, schließlich auswirkten? Die Heilige Kirche konnte es sich einfach
nicht leisten, dass ihre stolze Schöpfung an der königlichen Schwertprobe scheiterte. Zu viele Jahre waren investiert worden,
zu viel stand auf dem Spiel.
»Berichtet mir, was geschehen ist!«
Wieder flogen nervöse Blicke zwischen Entenmann und Narbengesicht hin und her. Dieses Mal war es wieder Jareth, |392| der sprach: »Wir holten den Boten erst ein, als er der
Großen Hecke
, die Or’hallas und Waldlanden als Grenzlinie dient, schon viel zu nahe war«, sagte er. »Es handelte sich um einen Edelmann.«
Er schluckte mühselig, mit zuckenden, sabbernden Lippen. »Gallen ... er – er weihte uns schließlich darin ein, dass es sich um einen Adligen aus dem Hause Dorn handelt.«
Bruder Boydos nickte. Alles war genau wie vermutet. Das Haus Dorn war von Anfang an in
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