Das erste Schwert
sich der Platz rings um das Freudenfeuer mit tanzenden Gestalten. Die Musik war eine einzige
Verlockung.
Mit einem taumeligen Ruck wandte er sich Kara zu. Ihren Veilchenaugen. Diesen Seelenfenstern, in denen eine Spiegelung des
Freudenfeuers flammte.
Er war kühn. Er würde es wagen. »Komm, tanzen wir!«, rief er.
Sie erwiderte seinen Blick. Er erkannte den Spott darin; aber auch Unschlüssigkeit. »Ich tanze nicht«, erwiderte sie kehlig.
Hör auf, hör auf, hör auf!,
gellte eine warnende Stimme in ihm. Er wusste, er hätte auf sie hören müssen. Doch die Musik – sie war so allgegenwärtig,
auch in ihm.
Hör auf!
Wie dumm er war. Wie konnte er glauben, dass sie ausgerechnet mit
ihm
tanzen wollte? Sie wollte nicht tanzen, mit niemandem. Sie hatte es ihm gesagt.
Ich will keine Aufmerksamkeit auf mich lenken,
hatte sie gesagt. Aber etwas in ihren Augen |383| sagte etwas ganz anderes. Es lockte ihn, es griff aus den tiefsten Tiefen ihrer Seele empor und aus ihr heraus.
Er musste es versuchen.
»Ich weiß, dass du tanzen kannst«, beharrte er. »Jemand, der so kämpft wie du, der ist ein Naturtalent.«
»Tanzen«, sagte sie abfällig, »hat nichts mit Kämpfen zu tun. Tanzen dient keinerlei Zweck.«
Er nahm ihre Hand, er begriff kaum, wie mutig und anmaßend allein diese Geste schon war. Sie sah ihn verblüfft an, gebannt
von einer Magie, die ihrer beider Rollen umkehrte – die ihn tollkühn machte und sie so unsicher wie ein Kind.
Geradeheraus lachte er ihr ins Gesicht – und widersprach ihr: »Du hast nichts verstanden vom Tanzen! Es ist viel mehr als
Kämpfen! – Wenn du kämpfst, suchst du jemanden zu unterwerfen. Wenn du tanzt, kommst du jemandem nahe. Das ist viel wichtiger
als Überlegenheit, meinst du nicht auch?«
Sie riss ihre Hand noch immer nicht weg. Er spürte ihre Wärme ... und noch mehr, jenseits der Wärme. Ein ...
Schauder
? Ein Schauder, der ihren ganzen Körper durchlief?
»Ich komme niemandem nahe«, sagte sie ruhig.
Ihre Haut war zu dunkel, als dass er es mit Sicherheit hätte sagen konnen – doch glaubte er, ihre Wangen sich röten zu sehen.
Sie sah ihn noch immer an, stark und verwundbar gleichermaßen; und dieser Gegensatz war es, der dafür sorgte, dass er endgültig
nicht mehr richtig denken konnte.
»Tanz mit mir!«, forderte er. »Nur dieses eine Mal!«
Kara gab ihm keine Antwort. Aber ihre Hand, ihre Hand zitterte. Ihre Augen hatten sich ganz unnatürlich geweitet in ihrem
schmalen, dunkelhäutigen Gesicht.
Stark und verwundbar
, durchfuhr es ihn noch einmal.
Und schön wie nie.
Ohne seinen Griff zu lockern, sprang er auf und zog sie mit sich hoch. Sie wehrte sich nicht. Noch immer nicht.
Die Musik ergriff sie wie ein Sturmwind. Wirbelte sie in den Feuerkreis hinein. Die Musik trug sie. Er legte den Arm um |384| ihre Taille, und Karas Muskeln strafften und verfestigten sich und entspannten sich gleich darauf, und federleicht und geschmeidig
glitt sie an ihn heran. Sie flogen den rot und orange und gelb lodernden Feuerschatten hinterher, Körper an Körper, immer
rundherum um das große Freudenfeuer, verstrickt in den Bewegungen so vieler anderer tanzender Körper vor ihnen, neben ihnen,
hinter ihnen, gefangen vom tiefen Herzschlag der Trommeln und der Zaubermusik der
Arridi-
Flöten.
Skip wusste nicht zu sagen, wann und wie es endete. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, als er begriff. Als er langsam zur Besinnung
kam und sich vor den himmelhoch brausenden Flammen des Freudenfeuers stehend wiederfand und Kara in den Armen hielt. Spürte,
wie ihr Atem sich mit seinem mischte.
Seine Kehle krampfte sich zusammen. Er glaubte sich in einem Traum gefangen, aber dieses Mal in einem, der von jedem Alpdruck
so weit entfernt lag wie der Himmel von der Erde. Er sah in ihre veilchenblauen Augen hinab, Augen, die immer dunkler wurden,
je länger er sie betrachtete, und erkannte den verwirrten Ausdruck eines Menschen darin, der gleichfalls begriff, dass er
in einem Traum gefangen war. Warm, so warm hauchte ihr Atem gegen seine Wange. Dann veränderte sich der Ausdruck in ihren
Augen; plötzlich schimmerte wieder Bewusstsein darin. Der Traum verlor seine Macht über sie.
»In Shal Addims Namen!«, flüsterte sie. »Ich hab noch nie –«
Sie wand sich frei, drehte sich um und ging in die Nacht davon; und Skip stand nach Luft schnappend und einsam wie nie zuvor
im Feuerschein, umwirbelt von ausgelassen lachenden, singenden Cha’ori,
Weitere Kostenlose Bücher