Das erste Schwert

gegenüber. Hat ein Majat einen Auftrag angenommen, so vermag kein anderer
     seine Dienste zu kaufen, bis der Auftrag erfüllt ist. Selbst der König vertraut sein Leben ausschließlich seinem persönlichen
     Majat-Assassinen an.«
    Versonnen betrachtete sie den Sternendolch.
    Ellah räusperte sich. »Also, was hat diese Waffe zu bedeuten, Ba? Sag’s uns! Bitte!«
    »Nimmt ein Majat einen Auftrag an«, fuhr Baba Yagna fort, »erhält der Auftraggeber ein Unterpfand wie dieses hier, einen sternenförmigen
     Dolch, der ihren Kontrakt symbolisiert. Ist der Auftrag erfüllt, bringt der Majat-Assassine ihn zurück zu seinem Gildenmeister
     und zeigt so ganz formell an, dass er frei ist für einen neuen Auftrag. Es gibt vier Arten von diesen Dolchen, und sie unterscheiden
     sich nur durch die Steine in ihrem Zentrum.« Sie starrte auf den Dolch hinab. Ihr Blick war hart.
    »Und was bedeuten die Steine?«, platzte Ellah heraus.
    Baba Yagna stieß ein unwilliges Brummen aus – und antwortete schließlich doch. »Sie bezeichnen die höchsten Ränge der Majat.
     Die Edelstein-Ränge. Der Diamant ist Symbol der Besten der Besten. Die Diamant-Majat sind unvergleichlich. Und unbesiegbar.«
    »Also ist dieses Ding hier   –«
    »–   das Unterpfand eines Diamant-Majat.«
    Skip zog die Brauen hoch. Es war eine faszinierende Geschichte, doch ergab sie keinen Sinn. Warum sollte ein Edelmann sein
     Leben auf’s Spiel setzen, um einem einfachen Dorfpriester das Zeichen eines unbesiegbaren Assassinen zu überbringen? Es konnte
     nur einen Grund dafür geben: Das Päckchen stellte eine Warnung dar.
    »Ein Diamant-Majat ist unterwegs, um das Kind zu holen«, |65| murmelte Skip langsam. »Das war’s, was der Adlige sagen wollte. Und das bedeutet   –«
    Baba Yagnas Augen weiteten sich. Nur zu gut vermochte Skip von seinem Platz aus zu sehen, wie die Züge des Vaters steinern
     wurden. Er warf Erle einen Blick zu.
    »Glaubst du«, fragte Erle, »dass diese drei Männer, die den Noblen umgebracht haben, etwas mit dem Majat zu tun haben?«
    Mit einem Mal glaubte Skip, vor Anspannung platzen zu müssen; alle Luft schien plötzlich aus der kleinen
Izba
weggeatmet worden zu sein. Doch sobald die alte Frau den Blick vom Vater ab- und wieder den am Tisch Versammelten zuwandte,
     kehrte auch die Normalität wieder zurück. Ernst sah sie ihnen der Reihe nach ins Gesicht.
    »Majat«, sagte Baba Yagna mit heiserer Stimme, »sind überaus professionell. Sie arbeiten allein. Sie reiten nicht davon und
     lassen einen Auftrag nur halb erledigt zurück. Sie lassen auch keine Leichen für jedermann sichtbar liegen. Und auch ein Cha’ori-Spähtrupp
     würde sie wohl nicht sehr beeindrucken. Da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Skip hingegen war sehr beeindruckt. Ihm waren die drei Kapuzenreiter in den Or’hallas draußen recht professionell vorgekommen.
     Die Vorstellung, dass es auf dieser Welt eine ganze Kriegerkaste gab   ... und dass jeder einzelne Angehörige dieser Kaste unendlich viel besser war als jene Mörder –
    »Und sie versagen nie?«, vergewisserte er sich.
    »Einmal«, antwortete Baba Yagna, »vor mehr als zweihundert Jahren, wurden zwei Diamant-Majat gedungen, um gegeneinander zu
     arbeiten. Den einen heuerte das Königshaus Dorn an – er sollte den Thronerben schützen. Die Königsregentin von Shayil Yara
     nahm den anderen in ihre Dienste und erteilte ihm den Auftrag, das Kind zu ermorden. Einer von beiden musste versagen.«
    »Und was ist passiert?«
    |66| Baba Yagna wiegte den Kopf. »Das Komplott kam ans Licht. Die Gilde rief beide Assassinen zurück. Genau genommen handelte es
     sich um ein bürokratisches Versagen der Gildenführung, trotzdem wurde es in der Geschichtsschreibung als Scheitern eines Majat
     niedergelegt. Dieser Präzedenzfall läutete eine ganze Reihe von Kriegen ein, die Jahrhunderte andauerten und zum Niedergang
     des Großen Shandorianischen Reichs führten.«
    »Die Heiligen Kriege«, hauchte Skip.
    »Ja, Kind. Die Heiligen Kriege.«
    »Aber Bruder Nikolaos hat uns gesagt, diese Kriege seien von gotteslästernden Verfemten vom Zaun gebrochen worden«, schnaubte
     Erle protestierend.
    »Das kam alles später«, wischte Baba Yagna den Einwand beiseite. »Ich habe euch den wirklichen Auslöser des Ganzen genannt.
     Die Krieger der Seengebiete marschierten gegen Shayil Yara und unterlagen in jenem Inferno, das später als Schlacht von Gard
     bekannt wurde.«
    »Warum hast du uns von all dem nie etwas