Das erste Schwert
er unvermittelt.
Das Mädchen lächelte, aber ihre Augen blieben ganz kühl. »Wäre mir das passiert – dass ich nach Hause komme, meinen Vater
halbtot und mein Heim in Trümmern liegend vorfinde«, sagte sie und wandte die Augen von ihnen ab und zu den verkohlten Ruinen
hin, »also, dann hielte ich es für meine Pflicht, die Männer, die das getan haben, aufzuspüren und mir zurückzuholen, was
sie möglicherweise gestohlen haben.« Mit einem Ruck blickte sie Erle direkt an. »Sie haben |72| sich nach Norden gewandt, soviel steht fest. Obwohl ich ihnen nachgeritten bin, ohne euch gegenüber im Wort zu stehen, würde
ich es doch nur ungern sehen, diese Arbeit umsonst geleistet zu haben.«
»Warum sollte etwas gestohlen worden sein? Wie kommst du darauf?«
Sie zuckte die Schultern. »Warum sonst hätten sie euer Hab und Gut derart sorgfältig durchstöbern sollen?«, antwortete sie
ihm; für einen Moment schien ihre Maske der Gelassenheit zu bröckeln und etwas anderem, vielleicht Gefährlicherem, weichen
zu wollen. Doch als Erle einfach beharrlich schwieg und sie nur weiterhin argwöhnisch anstarrte, setzte sie ihm ihre Gedanken
auseinander: »Alles hier sieht mir danach aus, als hätten sie etwas gesucht. Also gehört wirklich nicht viel Grips dazu, daraus
zu schließen, dass ihr zwei nun hier seid, um herauszufinden, ob dieses Etwas fehlt. So, und jetzt seid ihr dran.«
Skip hüstelte. Sie hatten von ihrem Vater genaue Instruktionen für eine solche Situation; davon abgesehen, waren sie überaus
vorsichtig zugange gewesen, sodass alles ganz danach aussehen musste, als hätten sie lediglich nach ihren vom Feuer verschmähten
Habseligkeiten Ausschau gehalten.
Dieses Mädchen war entweder sehr erfahren in solchen Angelegenheiten, oder sie wusste mehr darüber, als sie vor ihnen zugeben
wollte.
»Mach’ uns ein Angebot«, forderte Erle sie auf.
»Ich bin unterwegs zu den Steinernen Graten im Norden«, sagte sie. »Es ist ein weiter Weg dorthin, und bevor ich ihn fortsetzen
kann, muss unbedingt mein Pferd neu beschlagen werden. Ich weiß, euer Vater wird eine ganze Zeitlang nicht arbeiten können.
Also ist es wohl nur recht und billig, dass ich euch bitte, meinem Pferd ein neues Hufeisen anzupassen. Wenn ihr den Brandstiftern
folgen und euch euer |73| geraubtes Eigentum zurückholen wollt, dann kann ich euch möglicherweise weiteren Beistand anbieten.« Sie ließ ihren Blick
auf Skip ruhen.
Natürlich,
dachte er. Und lief feuerrot an.
»Das ist alles?«, wollte Erle wissen. »Ich dachte, du bist eine Söldnerin?«
»Das bin ich«, bestätigte sie mit einem Lächeln. »Und ja, da gibt es noch etwas. Es mag ein Trugschluss sein, aber ich glaube,
ich habe die Männer, die eure Schmiede angezündet haben, gestern im Wirtshaus in der Sumpfstadt gesehen. Sie kamen mir recht
wohlhabend vor. Ich unterhielt mich mit ihnen, und einer trug unter dem Lederwams versteckt eine goldene Kette, die war so
dick wie mein Finger. Also, hier ist der Handel, den ich euch anbiete: Wenn wir sie finden, gehört alles, was wir ihnen abnehmen,
mir. Ihr könnt euer gestohlenes Eigentum haben, was es auch sein mag. Dem Schaden nach zu urteilen, den diese Kerle angerichtet
haben, dürfte es den ganzen Ärger wohl wert sein. So kommt ihr zu eurem Recht und ich zu meiner Beute.«
»Beute?«, wiederholte Erle. »Du willst damit doch wohl nicht sagen, dass du vorhast, sie umzubringen, oder?«
Erneut zuckte sie mit den Schultern. »Ich bin keine Mörderin«, sagte sie. »Aber dass sie kampflos aufgeben, kann ich mir nicht
vorstellen.«
»Und ich glaube, dass du uns nur als Ausrede dafür brauchst, um diese Männer um ihr Gold zu erleichtern.« Er verzog geringschätzig
den Mund.
Sie hielt seinem Blick gleichmütig stand. »Ich bin Söldnerin«, sagte sie tonlos. »Das heißt, ich trete in jemandes Dienste
und werde dafür bezahlt. Ich ziehe nicht umher und raube Leute aus, die Gold am Leibe tragen. Hast du das verstanden?«
Nun zuckte Erle mit den Schultern. »Hört sich für mich alles gleich an«, versetzte er.
|74| Noch immer hielt sie seinem Blick stand. Ihre Miene verriet keinerlei Regung.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte Skip, einer Eingebung folgend.
Das Mädchen blickte verdutzt zu ihm herüber. Dann entspannte sich ihr Gesicht; ein Lächeln blitzte auf. »Kara«, sagte sie.
»Warum?«
Kara.
Der Name passte zu ihr. Ausgesprochen mit ihrer tiefen, samtigen Stimme, gaukelte
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