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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Ihr habt wirklich eine neue Tradition begründet, Hochgebieter
     Evan! Unsere Versammlung wird ständig größer!«
    Evan erwiderte nichts darauf; aber tatsächlich bildeten die drei Herzöge inzwischen den Kern einer beträchtlichen Menschenmenge,
     welche den Raum beherrschte. Und nun lenkte auch der Tanad Eli Faruh, Gesandter von Shayil Yara, seine Schritte zu ihnen.
     Ein Gefolge olivianischer Damen schwebte dicht hinter ihm her – Hofstaat und Aufsichtszofen der fünfjährigen Prinzessin Aljbeda
     gleichermaßen, der ersten Tochter und Erbin des Südländischen Throns.
    Die Prinzessin war ein Mündel des Königs von Tallan Dar und besiegelte damit, dass sie hier am Hofe lebte, die Freundschaft
     zwischen den beiden Königreichen wie auch die Gehorsamspflicht der südländischen Monarchin. Sie hatte einen festen Sitz an
     der Tafel und vertraute in ihrem Urteil gänzlich auf ihren mit allen Wassern gewaschenen Berater, den Tanad Eli Faruh – was
     den Mann in dieser Runde so wichtig machte, als spreche Königin Rajmella von Shayil Yara persönlich, wenn er den Mund aufmachte.
     Die Menge eilte sich, den Olivianern den Weg freizugeben.
    Eli Faruh war ein breit gebauter Mann mit rundlichem Gesicht, dunkler olivianischer Haut, goldenen Haaren sowie penibel gestutztem
     Bart. Den dunkel-purpurnen, flinken Augen unter seinen buschigen Augenbrauen entging nicht |85| das Geringste. Er trug wehende scharlachrote und blaue Gewänder sowie eine schwere Goldkette, die aus zweihundert Gliedern
     bestand und seinen hohen Stand symbolisierte. In dieser Runde bildete er mit seinem farbenfrohen Gefolge schokoladenhäutiger
     olivianischer Damen einen starken Kontrast, ähnlich einer grellen Flamme in der grauen Dämmerung der Seengebiete.
    Kaum in den Kreis der königlichen Herzöge getreten, ergriff er auch schon mit lautem Bariton das Wort und übertönte mühelos
     das Gebrumm der vielen anderen Stimmen. »Vergebt mir, meine Herren«, sagte er mit dem Selbstvertrauen eines Mannes, der seine
     bloße Anwesenheit bereits für ein Geschenk hält. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alle wichtigen Angelegenheiten
     genau hier vonstatten gehen. Es macht Euch doch nichts aus?«
    »Nicht im mindesten, Tanad«, versicherte Daemur. »Wir fühlen uns sehr geehrt. Es war mir stets ein Gräuel, allein in dieser
     großen Halle herumzustehen. Nichts geht über das Vergnügen guter Gesellschaft.«
    Er verbeugte sich in Richtung der Prinzessin, die mit der goldenen Quaste an ihrem roten Kleid beschäftigt schien. Der Tanad
     folgte seinem Blick.
    »Ihr müsst Ihrer Hoheit vergeben, meine Herren«, sagte er. »Belange des Hofes haben die Prinzessin bis spät in die Nacht in
     Anspruch genommen.«
    Er wandte sich um und richtete die Augen keck auf Hochdame Celana. Der Blick, den er von ihrem blassen Gesicht zum Ausschnitt
     des silbern dekorierten Kleides hinabtasten ließ, war deutlich genug, um jedermann erröten zu lassen. Celana jedoch erwiderte
     ihn wie eine auf Hochglanz polierte Spiegelfläche – und neigte den Kopf in einem höflichen Gruß.
    »Und? Entspricht es der Wahrheit, meine Herren und Damen«, sagte Eli Faruh, »dass die Frage des königlichen Erbes heute Nacht
     ein für allemal geregelt wird?«
    |86| Evan entschied sich, die Rolle des Beobachters aufzugeben, und räusperte sich. »Tatsächlich«, sagte er, »sind wir mit unserer
     Weisheit am Ende. Wir stehen kurz davor, Lose zu ziehen. Vielleicht wollt Ihr uns stattdessen Euren Sachverstand zur Verfügung
     stellen?«
    Der Tanad stieß ein Lachen aus und klopfte Evan in einer blitzartigen Geste kurz auf die unbekleidete Schulter. »Solch ein
     Vergnügen, mit Euch zu plaudern, Sturmgebieter«, gluckste er. »Der berühmte Dorn-Humor.«
    »Den allein das berühmte Dorn-Brauchtum noch übertrifft«, murmelte Macdell.
    Dies hatte eine verlegene Stille zur Folge. Es war kein Geheimnis, dass die Tradition des ersten Schwertes, begründet von
     den Dorns, wie ein Stachel im Fleisch des aeghorischen Machtstrebens saß. Nur wenige des Hauses Aeghor hatten bislang die
     Schwert-Zeremonie überlebt. Nicht zum ersten Mal fragte sich Evan, ob sie etwas mit dem Verschwinden der Klinge zu tun haben
     mochten.
    Der Tanad strich sich geziert den Schnauzbart glatt. »Meine Herren – ich konnte nie ganz verstehen, wie die Erbfolge in Tallan
     Dar funktioniert«, wagte er sich dann auf gefährliches Terrain. »In Shayil Yara haben wir nur ein einziges Königshaus. Ich
    

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