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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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ruhiger Stimme. »Der Steingebieter
     Macdell und seine Gebirgsbären sind zu uns unterwegs. Kein Zweifel: Sie konnten uns beide unmöglich hinter ihrem Rücken allein
     reden lassen.«
    Evan drehte sich um und setzte eine freundliche Miene auf.
    Die große Aeghor-Gruppe bahnte sich ihren Weg durch |82| die Menge. Für kurze Zeit sperrte ihr silbern und dunkelrotes Banner alle anderen Farben aus.
    »Hochgebieter Macdell!«, stieß Evan hervor. »Wie schön, dass Ihr zu uns herüberkommt!«
    Macdell Aeghor war untersetzt, feist und kahlköpfig. Ein buschiger Bart umwucherte das Kinn; an seiner dunkelroten Lederkleidung
     hingen an silbernen Gurten zahllose Waffen. Silberweißes Haar fiel wie ein Wasserfall auf seine Schultern herab und ließ seine
     kirschfarbenen Augen noch dunkler erscheinen. Auch Aeghors linke Brust und Schulter waren entblößt, und man sah erschlaffende
     gebräunte Haut und Muskeln. Die Narbe, Zeichen seines gesellschaftlichen Standes, war versteckt unter Speckfalten. Man nannte
     ihn den Steingebieter. Erblickte man Aeghor von weitem, war man vielleicht noch bereit, ihm den Charme eines Bärenjungen zuzuschreiben,
     doch wenn man das eisige Licht in den dunklen Augen sah und den Ausdruck konstanten Missfallens, das in den Mundwinkeln nistete,
     konnte von Charme keine Rede mehr sein.
    »Ihr hohen Herren!«, schmetterte er und nickte seinen beiden königlichen Rivalen zu. »Gestattet, dass ich Euch mit meinem
     Sohn Mactor bekannt mache.«
    Der Jüngling war bleich und zerbrechlich und hatte wenig Ähnlichkeit mit dem korpulenten Vater. Seine dunkelrote, mit Silberstreifen
     abgesetzte Tunika verhüllte den gesamten Oberkörper.
Noch nicht vom Schwert auf die Probe gestellt,
notierte sich Evan im Stillen.
Ohnedies wohl zu schwächlich, um die Prozedur zu überstehen. Ein interessantes Dilemma für das Konzil.
    »Meine Schwester Maxcella«, fuhr Aeghor fort, die Seinen vorzustellen. »Mein Neffe Maclian. Meine Nichte Maxalia.«
    Evan begrüßte der Reihe nach eine farblose Frau mittleren Alters, die wie eine alte Haushälterin aussah, einen spindeldürren,
     ebenfalls vollbekleideten Jüngling, der den königlichen |83| Onkel um wenigstens einen Kopf überragte; und ein dickliches unscheinbares Mädchen, das Evans nackter Brust einen scheuen
     Blick zuwarf und rot anlief, als er ihr die Hand küsste.
Nach Jahren eine junge Frau, doch vom Gemüt her immer noch ein Kind,
vermerkte Evan.
Interessant.
Es war erstaunlich, dass es in der auffallenden Aeghor-Familie mit ihren kirschfarbenen Augen und dem silberweißen Haar doch
     Mitglieder gab, die völlig unauffällig wirkten, so wie sie. Ließen sich in diesem Clan denn keine Adligen von geringerem Stand
     finden, die bereit waren, der königlichen Nichte ein passender Gemahl zu sein? Oder sparte auch Macdell jemanden für das Schwert
     auf?
    »Gibt’s Neuigkeiten aus den Gemächern Seiner Majestät?«, erkundigte sich der Herzog von Aeghor.
    Daemur machte eine schwer deutbare Kopfbewegung. »Mir wurde mitgeteilt, der Gesundheitszustand meines Bruders sei stabil.
     Persönlich allerdings habe ich ihn noch nicht zu sehen bekommen. Wir trafen erst gestern in der Kronstadt ein.«
    »Ich bin sicher, Seine Heiligkeit wird uns Weiteres berichten«, murmelte Evan. »Wann immer er sich dazu durchringen sollte,
     uns mit seinem Erscheinen zu adeln.«
    »Der Allheilige Vater ist seit dem frühen Nachmittag dort drinnen«, warf Daemur ein. »Ich kann nur hoffen, dass er uns gute
     Nachrichten bringt.«
    »In der Tat«, stimmte Macdell zu und wandte sich an Evan. »Mir kam zu Ohren, Sturmgebieter, Ihr gedenkt Euch aus dem Spiel
     zurückzuziehen?«
    Evan schenkte ihm sein freundlichstes Lächeln. »Gerüchte sind trügerische Boten«, sagte er und gewahrte befriedigt die Verunsicherung
     in Macdells Gesicht. »Ich versichere Euch, ich werde dem Konzil meine Position darlegen. Also werdet Ihr nicht mehr lange
     im Dunkeln bleiben, mein Herr.«
    |84| Evan hielt dem Blick Macdells mühelos stand und dachte bei sich, dass ihm letzten Endes gar keine andere Wahl blieb, als seinen
     Anspruch niederzulegen. Sonst würde ihm die Kirche das Leben zur Hölle machen. Aber noch während er sich diese Entscheidung
     als unvermeidlich einzureden versuchte, schweiften seine Blicke an Aeghor vorbei und suchten nach den weißen Roben der Bewahrer
     im Saal. Doch vergebens; sie waren nirgends zu sehen.
    »Schaut Euch das an!«, wetterte Daemur plötzlich. »Jetzt steht es fest:

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