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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Bewahrerin höchstselbst!«, stieß der Tanad aus. »Wie schön.«
    »Nun, ich habe sie seit König Daegars Krönungsfeier nicht mehr gesehen«, sagte Evan glatt. »Zwanzig Jahre ist das her. Ich
     muss zu ihr gehen und sie begrüßen. Entschuldigt mich, meine Herren.«
    Er bahnte sich seinen Weg durch das wogende Leibermeer und war sich bei jedem Schritt der Aufmerksamkeit jener bewusst, die
     sich mit respektvollen Verbeugungen vor ihm zurückzogen. Ein privates Gespräch mit der Mutter Bewahrerin in einer solchen
     Umgebung stellte eine echte Herausforderung dar, aber nach dem überraschenden Besuch gestern Abend wollte er doch wissen,
     was sie zu sagen hatte.
    Sie bemerkte seine Annäherung und hielt inne. Erst als Evan beinahe vor ihr stand, wurden ihre Gesichtszüge im Schatten der
     ausgefallenen Kopfbedeckung sichtbar, und ein Schauder durchrieselte ihn. Es war exakt dasselbe Gesicht, in das er vor zwanzig
     Jahren geschaut hatte. Das gleiche energische Kinn, die gleiche strenge, nur hier und dort von Altersfältchen ein wenig gemilderte
     Herbheit, die gleichen hellbraunen Augen mit ihrem grünlichen Schimmer. Selbst das gleiche Lächeln schien noch um ihrem Mund
     zu spielen, ein Lächeln, das ihrem ansonsten so wachsamen Gesicht ein Aussehen immerwährender Versöhnlichkeit und allgegenwärtigen
     Verstehens gab. In zwanzig Jahren hatte sich die Mutter Bewahrerin Eyandala Ghaus Moriane nicht im Geringsten verändert.
    Haben die Bewahrer also tatsächlich einen Weg gefunden, die Zeit zu beherrschen?
    |90| Er blieb stehen und fühlte sich wie ein kleiner Junge unter ihrem durchdringenden Blick. »Mutter Bewahrerin«, sagte er.
    »Shal Addim sei mit Euch, mein Sohn.« Ihre Stimme war sanft und tief. »Es ist mir eine solche Freude, Euch zu sehen, Hochgebieter
     Evan«, sagte sie. »Zu hören, dass Hochdame Alyssa von uns gegangen ist, hat mich sehr betrübt. Bitte, nehmt meine Kondolenz
     an.«
    »Danke, Mutter«, sagte Evan.
    Sie tat einen Schritt nach vorn und legte ihm die Hand auf den rechten, bekleideten Arm. Die Bewahrer in ihrem Gefolge hatten
     wie auf Kommando einen Kreis um sie gebildet. Binnen eines einzigen Herzschlages fand Evan sich mit der Mutter Bewahrerin
     im Zentrum eines Freiraumes wieder, der groß genug war, sodass sie miteinander reden, jedoch nicht belauscht werden konnten.
    »Wir müssen uns kurz fassen«, sagte sie. »Das Konzil dürfte jede Minute beginnen.« Sie warf einen vielsagenden Blick zu den
     Höflingen außerhalb des Rings der Bewahrer: Alle standen wieder in ihre Gespräche vertieft, als gebe es nichts Interessanteres
     in ihrer nächsten Umgebung.
    »Ich weiß«, fuhr die Mutter Bewahrerin fort, »dass ein gewaltiger Druck auf dem Hause Dorn lastet, den Anspruch niederzulegen.
     Ebenso weiß ich, dass die Worte des Magisters Egey Bashi, der als Berater mein vollstes Vertrauen genießt, Euch nicht zu überzeugen
     vermochten, Euren Entschluss noch einmal zu überdenken.«
    »Ich fürchte«, warf Evan ein, »inoffiziell habe ich meinem Anspruch bereits entsagt. Diese Erklärung heute Abend vor dem Konzil
     dient lediglich dazu, den Schein zu wahren. Ihr wisst gut genug, wie sich das Gleichgewicht der Kräfte in den letzten Jahren
     verlagert hat. König Daegar   –«
    Ihr Blick gebot ihm Einhalt. »Ich entsinne mich gut an jenen Evan Dorn, dem ich vor zwanzig Jahren begegnete. Ein |91| draufgängerischer Adliger war das, einer, dessen bloße Präsenz genügte, eine Ratszusammenkunft zu dominieren. Der einzige
     Mann bei Hofe, der nach seinen eigenen Regeln spielte. Ein Mann, der sein uraltes Geburtsrecht nie und nimmer zum Faustpfand
     im Spiel eines anderen verkommen lassen würde. Der Blick in Eure Augen sagt mir, Hochgebieter Evan, dass ich noch immer denselben
     Mann vor mir habe.«
    Und dieser Blick drang mit einer Intensität in ihn, die Evan frösteln machte.
    »Ich wiederhole nicht, was Egey Bashi Euch bereits gestern sagte«, fuhr sie eindringlich fort, »dazu reicht die Zeit jetzt
     nicht mehr. Stattdessen will ich Euch einige Tatsachen aufzählen, die Ihr überdenken solltet. Zuerst jedoch gestattet mir
     die Frage: Erinnert Ihr Euch, unter welchen Umständen das erste Schwert abhanden kam?«
    Evan fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. »Was hat die Klinge damit zu tun?«, stieß er viel heftiger aus als beabsichtigt.
    »Lasst mich Eurem Gedächtnis auf die Sprünge helfen«, sagte sie ungerührt. »Das Schwert lag dort verwahrt, wo die Tradition
     ihren

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