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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Ursprung hat, auf Hochdorn. Bis die Entscheidung fiel, alle künftigen Schwert-Zeremonien im Kloster zu Aknabar durchzuführen.
     Eurem Hauspriester Bruder Bartholomeos sollte es obliegen, die Klinge sicher dorthin zu befördern. Und mit ihr im Gepäck brach
     er zu seiner Reise auf. Erinnert Ihr Euch, Evan?«
    Evan nickte stumm. Neben dem Schwert sollte Bruder Bartholomeos auch den Leichnam seines neugeborenen Sohnes von Hochdorn
     ins Kloster überführen. Auf dem Weg dorthin war der Priester entführt worden. Das Schwert ging verloren. Letzten Endes kam
     Bartholomeos zwar sicher mit dem toten Kind in Aknabar an, doch dieser Vorfall kostete ihn seine hohe Stellung. Bruder Pavlos
     war nach Hochdorn |92| entsandt worden, um ihn zu ersetzen. Seither hatte Evan nie wieder etwas von Bartholomeos gehört. Er vermisste den Mann noch
     immer.
    »Ich sehe keinen Zusammenhang«, gestand er.
    »Vor allem müsst Ihr wissen«, sagte die Mutter Bewahrerin, »dass während Bruder Bartholomeos’ Entführung mehr abhanden kam
     als nur das Schwert. Der Säugling, der in Aknabar eintraf, war nicht jener, der Hochdorn zuvor verlassen hatte. Vielmehr handelte
     es sich um ein totgeborenes Kind aus dem Hause Dornbard. Oh ja, natürlich nahmen die Priester den Leichnam sofort in Augenschein
     und natürlich erkannten sie auch die Adelsmerkmale; und trotzdem haben sie versagt, denn dieses tote Kind trug niemals auch
     nur einen Tropfen königliches Blut in sich.«
    »Aus dem Hause Dornbard   ...?«, murmelte Evan und starrte ins Leere.
    »Ein Haus Eures Clans, Evan. Der Vater des toten Kindes, der Hochgebieter Roderick, war uns eine wertvolle Hilfe. Er hat versprochen,
     mit Leib und Seele für die Wiedereinsetzung Eures Hauses einzutreten. Ich hoffte eigentlich, ihn heute Abend hier bei uns
     zu haben. Aber zu meiner größten Besorgnis ist er nicht hier.«
    Unwillkürlich schaute Evan zum Dornbard-Banner, Purpur und Schwarz vor blauem Hintergrund, der schwarze Dorn-Hirsch in der
     oberen linken Ecke von dem purpurnen Pelikan-Zeichen der Niederen Dornbards beherrscht. Nur zwei schwarzhaarige Edelmänner
     standen dort, aber Evan vermochte nicht zu erkennen, ob einer davon der Hochgebieter Roderick war.
    »Was Ihr mir andeutet, kann nicht möglich sein!«, sagte Evan schroff. »Ich habe meinen Sohn sterben sehen.«
    »Habt Ihr das wirklich?«, fragte die Mutter Bewahrerin.
    Langsam nahm sie die Hand von seinem Ärmel und legte sie auf den unbekleideten linken Arm.
    |93| Wie ein Biss von tausend Reißzähnen durchraste diese Berührung Evans Leib. Halb betäubt suchte er ihre Augen   ... und wurde in ihre beruhigenden Tiefen hinabgewirbelt. Erinnerungen übermannten ihn.
Sein Sohn. Ein winziger Körper in Bruder Bartholomeos’ Armen. Ein Kissen, fast so groß wie das Kind selbst. Der Tod wird unverzüglich
     eintreten, hatte man ihm versichert. In diesem zarten Alter spüren sie überhaupt nichts.
    Er wäre imstande gewesen, dem herangewachsenen Sohn eine Schwertklinge durch’s Herz zu stoßen, wie es sein Vater bei ihm getan
     hatte. Doch mitanzusehen, wie ein neugeborenes Kind umgebracht wurde   …
    Ein Gong erklang am anderen Ende des Saales. Die Mutter Bewahrerin trat von ihm zurück; ein kaum merkliches Beben, und ihre
     Hand war von seinem Ärmel verschwunden. Evans Kopf ruckte hoch, die Versunkenheit fiel von ihm ab.
    Noch einmal richtete die Mutter Bewahrerin das Wort an ihn – kaum mehr als ein Windhauch in einer regnerischen Nacht: »Das
     Konzil beginnt. Denkt an meine Worte, Hochgebieter Evan.« Sie nickte ihrer Gefolgschaft zu und schritt geradewegs an die Tafel.

Ein geheimes Versteck
    Wie eine aufgerissene Wunde klaffte das soeben geschaffene Loch in der Wand. Skip und Erle spähten abwechselnd in die Dunkelheit
     und mühten sich, etwas zu erkennen. Fest stand nur: Man hatte ganz genau wissen müssen, wo nach diesem Versteck zu suchen
     war. Ohne das Zeichen ihres Vaters wäre es wohl für alle Zeiten unentdeckt geblieben.
    Vorsichtig zwängte Erle seine Hand in den zersplitterten Spalt – und zog einen langen, schmalen Gegenstand heraus, |94| der sorgfältig in robustes Riedgrastuch aus den Seengebieten gehüllt war. Als er die Hülle entfernte, kam ein Schwert in einer
     schlichten Lederscheide zum Vorschein.
    Mit angehaltenem Atem beobachtete Skip, wie sein Bruder die Klinge blankzog. Dunkler Stahl leuchtete wie eine ruhig brennende
     Flammenzunge im letzten blutigen Widerschein der untergehenden Sonne.
Ein

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