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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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habe den Eindruck, es bringt das Reich in eine recht knifflige Situation, wenn man derer gleich drei hat.«
    »Ihr hättet es nicht trefflicher sagen können«, stimmte Evan ernst zu. »Wir befinden uns sozusagen konstant in einer kniffligen
     Situation – stimmt’s nicht, Hochgebieter Macdell?«
    Herzog Aeghor bedachte ihn mit kaltem Blick und knurrte: »Der Sturmgebieter wollte uns gerade von seinen Plänen berichten,
     da er wohl heute noch seinem Anspruch abzuschwören gedenkt.«
    Evan setzte seine unschuldigste Miene auf. »Ach, wirklich?«, fragte er honigsüß: »Ich glaube mich zu erinnern, dass |87| ich mir eigentlich meine Erklärung aufsparen wollte, bis das Konzil offiziell eröffnet wird.« Aus den Augenwinkeln heraus
     entging ihm der Ausdruck im Gesicht von Herzog Honigbiene nicht.
    »Ich kann’s kaum erwarten, Eure Worte zu hören«, gab sich der Tanad höflich interessiert. »Doch Euren Anspruch aufgeben? Ist
     nicht gerade Euer Anspruch der gewichtigste, Hochgebieter Evan? Wenn mich meine Geschichtskenntnis nicht trügt, ist Euer königliches
     Haus doch das Erste und steht dem herrschenden König am nächsten?«
    »Es war das erste Haus«, warf Macdell knurrend ein. »Bis der König   – Etan, wenn mich nicht alles täuscht – seine sämtlichen drei Söhne, einen nach dem anderen, im Verlauf der Schwert-Zeremonie
     getötet hat.« Er schleuderte Evan einen herausfordernden Blick entgegen.
    »Tatsächlich handelte es sich dabei um König Evos«, korrigierte Evan freundlich. »Etan war sein Sohn. Derjenige, der getötet
     wurde.«
    »Eine recht verwegene Prozedur also, diese Sache mit dem Schwert – wenn Ihr mir diese Bemerkung erlaubt!« Der Tanad schüttelte
     den Kopf.
    »Ganz meine Rede!«, versprühte Macdell sein Gift. »Ganz exakt meine Rede!«
    »Jedoch«, nahm der Tanad den Faden ungerührt wieder auf, »das alles stieß Euren Vorfahren zu, Sturmgebieter. Wohingegen
Ihr
lebendig und wohlauf vor mir steht. Warum also könnt Ihr nicht König werden?«
    »Würde ich in diesen Tagen den Thron besteigen, so wäre das Problem lediglich bis zu meinem Tod aufgeschoben. Wir in Tallan
     Dar gefallen uns darin, dass wir vorausschauend handeln.«
    »Ich denke«, warf Daemur ein, »Hochgebieter Evan will sagen, dass es nicht an uns allein liegt, solche Fragen zu regeln. Das
     Konzil   –«
    |88| »–   wird jeden einzelnen von Euch anhören, edle Herren«, beendete der Tanad den Satz für ihn. »Ihr seid die Königlichen.«
    Daemur vorzog freudlos die Lippen. »Ich bin sicher, Ihr wisst es besser, Tanad. Mittlerweile dürfte es eigentlich keinen mehr
     geben, der noch Zweifel daran hegt, wer der wirkliche Herrscher in diesem unserem Königreich ist.«
    Abermals herrschte allgemeines verlegenes Schweigen. Umso lauter kam Evan daher die verwirrte Stimme der kleinen Prinzessin
     Aljbeda vor, als sie zu wissen verlangte: »Herr Abgesandter, was meint der Herzog von Ellitand damit?« Und, an ihre Damen
     gerichtet: »Äußerte der Seengebieter etwas Unpassendes? Meinte Seine Erhabenheit denn nicht König Daegar?«
    Sie sprach jedes einzelne Wort perfekt aus, ohne den geringsten südländischen Akzent oder das für eine Fünfjährige typische
     Kleinkindgenuschel. Auch die Namen und Titel gebrauchte sie völlig korrekt. Ihre Lehrer konnten wahrhaftig stolz auf sie sein.
     Nur – dies machte das Gesagte nur umso schlimmer.
    »Natürlich meinte er den König, Prinzessin Aljbeda!«, beschwichtigte sie der Tanad, sodass selbst den Begriffsstutzigsten
     Zeit blieb, die unterschwellige Bedeutung des Geplänkels zu erfassen. »Aber ich bitte Eure Königliche Hoheit inständig – lasst
     diese kleinen Formsachen nicht Eure Sorge sein!«
    Ein gefährlicher Mann
, dachte Evan. Seine Augen fingen eine neue Bewegung am Eingang des großen Saals auf. Unvermittelt spürte er ein verräterisches
     Kribbeln auf der Haut.
    Die Bewahrer.
    Zu fünft schritten sie in den Konzilssaal herein, doch war es die Anführerin der Delegation, die Evans Blick bannte.
    Auch ihre weiße Robe trug das Ordenssymbol, und doch unterschied sie sich von allen anderen. Ihre langen Ärmel streiften fast
     über den Boden, und ihre Kapuze ragte in einer |89| Art verlängerten Spitze über das Gesicht hinaus und erinnerte so an den Schnabel eines gewaltigen Vogels. Wie Evan zuvor,
     hatte auch sie vor dem Eintreten einen Moment lang innegehalten und einen suchenden Blick in die Runde geworfen.
    »Selig will ich sein – die Mutter

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