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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Worten des Allheiligen Vaters
     Haghos wohnte eine Macht inne, eine Wucht, welche Zuhörer ähnlich in Trance zu setzen vermochte wie die pendelnden Bewegungen
     einer tödlichen Schlange das ins Auge gefasste Opfer.
    »Hochgebieter und Hochdamen dieses Konzils«, sprach der Allheilige Vater mit dramatischer Stimme. »Auf Geheiß Ihrer Majestät
     stelle ich vor: den Hochgebieter Edmond, König Daegars Sohn und Erben des Throns.«
    Er nickte seinem Gefolge zu. Ein gleichermaßen schwarz Gekleideter trat hinter Haghos Sessel hervor und strich seine Kapuze
     nach hinten. Ein Keuchen wurde laut und verebbte allmählich wieder.
    Der Mann war ein leibhaftiges Ebenbild des zwanzig Jahre |107| jüngeren Königs Daegar. Dieselben glatten, leuchtend roten Haare fielen bis zu den Schultern hinab, dieselben grünen Augen,
     deren braune Flecken König Daegar immer so von seinen jüngeren Brüdern unterschieden hatten, leuchteten in den scharf geschnittenen
     Gesichtszügen derer von Ellitand. Wäre er nicht so jung gewesen, er hätte des Seengebieters Daemur Zwilling sein können.
    Nur einen Unterschied gab es: Das Gesicht dieses so überraschend präsentierten Erben zeigte nicht die geringste Regung. Starr
     und leer waren seine Augen auf den Allheiligen Vater gerichtet – so mochte ein Schlafwandler dreinschauen, wenn er zur dunkelsten
     Nachtstunde einem Mondstrahl folgte.
    Daemur Ellitand stemmte sich langsam aus seinem Sessel hoch. »Ein Erbe?«, fragte er gedehnt. »Mein Bruder hat einen
Sohn?
Von welchem Eheweib?«
    »Gerade am heutigen Tage setzte mich Ihre Majestät davon in Kenntnis, dass es eine heimliche Vermählung mit einer Dame aus
     dem Ellitand-Clan gegeben hatte, die von der Kirche anerkannt worden war; einer Dame, die bedauerlicherweise verschied, bevor
     sie ihren rechtmäßigen Platz als Königin einnehmen konnte. Das Beichtgeheimnis versagt es mir zwingend, ihren Namen zu offenbaren.«
    Daemur ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Stille umfing die gesamte Tafelrunde. Schließlich ergriff die Mutter Bewahrerin
     das Wort. »Da Ihr das Beichtgeheimnis erwähnt, Hochehrwürdiger, frage ich Euch: Liegt der König im Sterben?«
    Der Allheilige Vater Haghos regte sich und verlagerte bedächtig seinen Blick zu ihr hin. Evan gewahrte eine neue Woge jener
     sonderbaren Macht, und vor innerer Eiseskälte drohte ihm das Blut zu gefrieren.
    »Wir können nur beten, meine Tochter«, entgegnete der Allehrwürdige sanft. »Doch wie Ihr unschwer sehen könnt, |108| lässt sich die noble und legitime Abstammung des Hochgebieters Edmond nicht leugnen.«
    Und alle starrten jenen Edmond an, wie er mit der Reglosigkeit einer menschlichen Statue an der Seite Seiner Heiligkeit stand.
     Wie die perfekte Nachbildung eines Ellitand sah er aus. Trotzdem stimmte etwas nicht mit ihm.
    Die Lippen der Mutter Bewahrerin kräuselten sich leicht. »Ihr wisst genauso gut wie ich, Hochehrwürdiger, dass es nur ein
     Verfahren gibt, welches alle Zweifel auszuschließen vermag. Er muss mit dem Schwert getestet werden. Und auf dass alles wohlgerät,
     wird sein wahrer Vater die Klinge führen müssen.«
    Der Allheilige Vater Haghos nickte. »Wir alle beten, das Schwert möge gefunden werden, bevor es zu spät ist, meine Tochter«,
     dröhnte seine machtvolle Stimme. »Sonst bliebe uns allein die Hoffnung, auf wundersame Weise in den Besitz einer anderen,
     gleichwertigen Waffe zu gelangen.«
    »Ein anderes erstes Schwert?«
    Dies ist nun wirklich niemandem mehr neu,
dachte Evan bei sich. Das Gerede, künftig eine andere Klinge zu benutzen, geisterte seit Jahren umher. Schockierend war lediglich,
     es hier, im Konzil, laut ausgesprochen zu hören. Und gäbe es da nicht die noch weit schockierendere Neuigkeit des wie aus
     dem Hut gezauberten Erben   – Seine Heiligkeit hätte wohl weit mehr Reaktionen zu hören bekommen. Doch so konnte er es sich leisten, fortzufahren, als
     habe er den Einwurf der Mutter Bewahrerin gar nicht gehört.
    »Zu diesem Thema dürfte uns, wie ich glaube, der Hochgebieter Orlon von Bengaw Neuigkeiten mitzuteilen haben.«
    Der dunkle, spindeldürre Mann beugte sich Aufmerksamkeit heischend in seinem Sessel vor. »Wir haben festgestellt«, sagte er,
     »dass sich in den älteren Schächten der algarianischen Minen genügend Königsstahl zusammentragen |109| lässt, um daraus gleich mehrere Waffen schmieden zu können.« Er ließ seine Worte einwirken. »Nicht sicher sind wir uns jedoch
     in unserer

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