Das erste Schwert
heiligen
Urteil unseres Allgebieters Shal Addim. Bis unser neuer Erbe der Schwert-Zeremonie unterworfen werden kann, dürfte die Stellung
der Häuser untereinander wohl nicht in Frage gestellt sein.«
Abermals kehrte eine lange Stille ein. Evan bemerkte den Blick der Mutter Bewahrerin von jenseits der Tafel. Die Erleichterung
darin war offensichtlich.
»Ich verstehe«, äußerte schließlich Seine Heiligkeit. »Sehr verständlich von Euch, Hochgebieter Evan, vorsichtig zu sein.
Ihr habt die unsicheren Zeiten angesprochen, jedoch wisst Ihr zweifelsohne um den verderblichen Einfluss jedweder Ungewissheit – Euer Verhalten, so glaube ich, wird dem Konzil noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.«
»Meinem Empfinden nach«, warf die Mutter Bewahrerin ein, »wäre es erst recht keine gute Sache, eine Entscheidung herbeizuzwingen,
Hochehrwürdiger, solange uns kein angemessenes Schwert zur Verfügung steht. Warum hören wir nicht die Meinung der anderen
Konzilsmitglieder?«
|112| »Eine gute Idee, Mutter«, versicherte Macdell Aeghor heftig. Amüsiert nahm Evan das Muskelzucken im Gesicht des Mannes zur
Kenntnis – so vielschichtig rumorten seine Gefühle, so übermächtig drängten sie nach außen. Nur zu gut war ihm bewusst, dass
Macdell mit dem festen Vorsatz angereist war, sich über die Schwert-Zeremonie zu ereifern und sie anzufechten. Nun rückten
ein aus dem Nichts aufgetauchter Erbe sowie Evans Erklärung, auf sein Thronrecht nicht zu verzichten, die Dinge in eine völlig
andere Perspektive. Macdell sah leidend aus. »Was hat Shayil Yara dazu zu sagen?«, presste er heraus und verlagerte seinen
Blick hin zu Tanad Eli Faruh.
Der Tanad machte Anstalten, zu antworten, doch eine klare Stimme, die in Höhe seines Ellbogens laut wurde, kam ihm zuvor.
In dem eifrigen Bestreben, gesehen zu werden, kletterte die Erste Tochter und Erbin des Südländischen Throns kurzerhand auf
die polierte hölzerne Sitzfläche ihres Sessels und richtete sich auf, was ihren Kopf auf eine Höhe mit den sitzenden Mitgliedern
des Konzils brachte.
»Jene, die uns zu hören wünschen«, sagte das Kind laut und deutlich, »werden das Wort direkt an mich richten, Hochgebieter
Macdell. Ich habe einen Sitz an der Tafel dieses Konzils. Der Herr Abgesandte lässt mir seinen Rat zuteil werden, nicht mehr,
nicht weniger.«
Eine Nervensäge,
urteilte Evan und unterdrückte ein Lächeln .
Sobald sie den Südland-Thron bestiegen hat, werden all die noblen Herren des Nordens erfahren, was es heißt, nach jemandes
Pfeife zu tanzen.
Prinzessin Aljbedas klare Amethyst-Augen blickten furchtlos und hielten dem harten Starren des Herzogs von Aeghor stand. Schließlich
war er es, der den Blick senkte. »Vergebt mir, Prinzessin«, sagte er. »Ich wollte nicht respektlos sein. Selbstverständlich
ist es die Meinung Eurer Königlichen Hoheit zu der hier zur Debatte stehenden shandorianischen Thronfolge, die mich interessiert.«
|113| Das Mädchen nickte und wandte sich dem Tanad zu, der sich seinerseits flugs hinabbeugte und in ihr Ohr wisperte. Gleich darauf
ergriff sie abermals das Wort. »Unsere Meinung ist es«, sagte sie, »dass sich das hohe Konzil vertagen sollte. Bis –« Sie lauschte erneut den Flüsterworten des Tanads. »Bis das Schwert für die Königsprüfung zur Verfügung steht.«
Sie blickte in die Runde, forschte in den Gesichtern. Evan beeilte sich, ihr ein Lächeln zu schenken. Sie war ein sehr kluges
und couragiertes Kind. Und eindeutig fehl am Platze in dieser giftigen Runde.
»Eure Königliche Hoheit – ich bin ganz Eurer Meinung!«, sagte Evan. »Wie der Allheilige Vater ganz korrekt sagte – es gibt
zu viele Ungewissheiten, nicht nur aufgrund meines Entschlusses. Sie allesamt hier an der Konzilstafel zu entscheiden, dürfte
schlicht unmöglich sein. Ich schlage daher eine neuerliche Zusammenkunft vor, sobald das Schwert gefunden ist.«
Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung wahr. Wenigstens fünf Dutzend Ritter des Heiligen Sterns strömten in den
Saal herein und bildeten an den Wänden entlang eine Kette; die langen Lanzen hoben sich in einer Geste, die Drohung und königliche
Ehrenbezeigung gleichermaßen sein konnte.
Seine Heiligkeit sprach, als sei nichts geschehen. »Dies ist eine delikate Situation!«, schnurrte er mit undeutbarem Götzenlächeln.
»Insbesondere im Hinblick auf den schwächlichen Gesundheitszustand Ihrer Majestät. Es gilt,
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