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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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grauen Bart – und dessen
     beiden Söhnen. In formeller Anerkennung neigte Evan den Kopf und sah besorgt zum blau-purpur-schwarzen Pelikan-Banner des
     Hauses Dornbard hin. Allein Federon und Tanimir, Dornbards Söhne, standen dort. Ihr Vater, der Hochgebieter Roderick, war
     nirgends zu sehen. Die Mutter Bewahrerin hatte die Wahrheit gesagt.
    Evan suchte seine Nervosität in den Griff zu bekommen und ließ sich auf seinem Konzilssessel nieder. Allem luxuriös vergoldeten
     Schnitzwerk zum Trotz war der Sessel unbequem. Eine weitere dreihundert Jahre alte Tradition – begründet durch König Macdaren
     aus der Aeghor-Linie – schrieb vor, dass keinerlei Polsterung auf der hölzernen Sitzfläche liegen durfte, da in Kissen magische
     Gegenstände und Waffen verborgen werden konnten. Paranoia war ein Charakterzug tandarianischer Könige.
    Nicht einmal für die junge Prinzessin Aljbeda wurde eine Ausnahme gemacht. Der hellgoldene Haarschopf des Kindes ragte kaum
     über den Rand der wuchtigen Tafel, die Amethyst-Augen leuchteten auf Höhe der Tischplatte. Ihre Königliche Hoheit war im vergangenen
     Jahr beträchtlich gewachsen. Somit brauchte der Tanad Eli Faruh, der neben ihr Stellung bezogen hatte, ab jetzt nicht mehr
     so zu tun, als suche er etwas unter der Tafel, wenn er sich zur Prinzessin von Shayil Yara hinabbeugte, um ihr seinen Rat
     anzubieten.
    Die feierliche Prozession der in schwarze Roben gehüllten Priester trat erst in Erscheinung, nachdem ein jeder seinen Platz
     eingenommen hatte: Die Tür der königlichen Gemächer öffnete sich, der Rubin-Majat trat beiseite und gab den Weg frei – und
     so schwebten die Priester der Konzilstafel mit |105| der gemächlichen Erhabenheit von Leuten entgegen, die ganz genau wissen, dass ohne sie nichts Wesentliches passiert.
    Die Gestalt, die vorneweg ging, erreichte den Sessel, der jenem des Königs gegenüberstand und den Heiligen Stern trug. Der
     Allheilige Vater Haghos ließ sich auf der harten Sitzfläche nieder, und seine schwarze Robe bildete einen scharfen Kontrast
     zum jungfräulichen Weiß der Mutter Bewahrerin zu seiner Rechten.
    »Shal Addim segne Euch, meine Kinder«, begrüßte Seine Heiligkeit die Tafelrunde.
    Die tiefe Stimme schlug alle in ihren Bann. Evan spürte gar einen Schauder auf dem Rücken, obwohl die Worte gewiss als Seelenbalsam
     gedacht waren. Er sah Prinzessin Aljbeda unruhig auf ihrem Sitz hin und her rutschen – die Kammerfrau legte ihr von hinten
     besänftigend die Hand auf die Schulter.
    »Möge das Konzil beginnen«, sprach Seine Heiligkeit die formelle Eröffnung.
    Evan räusperte sich dezent. »Sollten wir nicht warten, bis sich Ihre Majestät zu uns gesellt?«, gab er zu bedenken.
    Die Augen des Allheiligen Vaters waren in den Tiefen der Kapuze unsichtbar, dennoch spürte Evan den Stich ihres Blickes.
    »Ich verbrachte den Großteil des heutigen Tages in den Gemächern Ihrer Majestät«, sagte Haghos ruhig. »Und wahrlich, es schmerzt
     mich, kundtun zu müssen, dass König Daegar nicht genügend bei Kräften ist, um den Vorsitz des Konzils zu führen.«
    Ein Aufseufzen durchfuhr die Menge.
    »Und uns schmerzt es allesamt, das zu hören«, murmelte Evan.
    Lediglich eine Korridorlänge trennte des Königs Krankenlager vom Konzilssaal. Daegar musste wahrhaftig krank darnieder |106| liegen, wenn er auf die Teilnahme an solch einer wichtigen Zusammenkunft verzichtete.
    Daemur Ellitand regte sich. »Die letzten Nachrichten, die ich von meinem Bruder erhielt, besagten, Ihre Majestät sei zwar
     von schwächlicher Konstitution, fühle sich jedoch immerhin in der Lage, umherzugehen. Nun erfahre ich zu meinem Bedauern,
     dass sich sein Gesundheitszustand wohl zum Schlechten gewendet hat. Vielleicht könntet Ihr uns über die Natur der königlichen
     Krankheit in Kenntnis setzen?«
    Der Allheilige Vater wandte sich dem Sprecher zu. »Ich verstehe Eure Sorge, Hochgebieter Daemur«, sagte er. »Trotzdem muss
     ich Euch an die Heilkundigen des Hofes verweisen – sie werden alle Eure Fragen beantworten. Uns drängt die Zeit. Wir haben
     viel zu beraten. Darunter auch eine Nachricht von vitaler Wichtigkeit, die mich der König in dieser noblen Runde vorzutragen
     bat.«
    Und etwas Ungeheuerliches,
Zwingendes
, brach mit Macht aus den tiefen Schatten unter der Kapuze hervor. Evan spürte es, spürte es mit jeder Faser seines Leibes
     und fühlte sich bestätigt: Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getrogen – der Stimme oder den

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