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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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empor, und wer sich nach Einbruch der Dunkelheit noch im Freien
     aufhielt, war ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Es sei denn, natürlich, man trug das Kron-Symbol der Königswache,
     so wie Tildon und Papa Wold.
    Schwankend, Papas schwere Gestalt stützend, machte sich Tildon auf den Weg die Hornhecht-Straße entlang. Zum Glück für sie
     beide wusste er, wo der alte Mann wohnte, denn entsprechende Hinweise vermochte der betrunkene Kamerad nicht mehr zu geben.
     An der Straßenecke stolperte er fluchend und wäre samt seiner Last beinahe gestürzt; jetzt erst bemerkte er, dass im Straßenpflaster
     ein großer Stein fehlte. Der Allheilige Vater Vertholdos höchstpersönlich, so wollte es die Legende, hatte ihn während der
     Heiligen Kriege an sich genommen, um einen gottlosen Feind damit niederzuschmettern. Noch waren die Gedanken frei, und so
     gedachte Tildon der alten Heiligkeit frohgemut mit einem von ganzem Herzen kommenden Fluch. Hätte das
Buch der Gebote
den Pfaffen gestattet, Waffen zu tragen, so wäre der Allheilige Vater nicht gezwungen gewesen, ein Straßenpflaster zu ruinieren
     – und er, er hätt’ sich nicht beinahe Knie, Nase und möglicherweise noch einiges andere blutig geschlagen.
    Etwa um jene Zeit, da seine Gedanken so weit gediehen waren, erreichte er das windschiefe Haus am Ende des Krötenzug-Weges
     – und Papa Wold schnarchte friedlich an seiner Schulter. Seufzend lehnte Tildon den betagten Knaben gegen eine Hausmauer und
     kramte in seinen höhlenartigen Taschen nach dem Schlüssel.
    |229| Dann sah er es.
    Ins absplitternde Holz der alten Tür war mit einem robusten metallenen Handwerkszeug ein Zeichen eingekratzt worden, das Zeichen
     des Heiligen Sterns.
    Tildon starrte es eine ganze Weile an und mühte sich nach Kräften, gegen den Widerstand der Weingeister seine Gedanken zu
     sammeln. Er war bei weitem nicht so betrunken wie Papa Wold, jedoch eindeutig betrunken genug, um nicht mehr klar denken zu
     können. Der Heilige Stern markierte die Tür. Papa Wolds Haustür. Was mochte das zu bedeuten haben? Hatte irgend jemand das
     morsche Gebäude als Heilige Stätte kennzeichnen wollen? Unwahrscheinlich. Genau genommen hatte Papa Wold sich wohl eher so
     weit von den himmlischen Pforten entfernt, wie dies einem Bürger gerade noch möglich war, ohne der Inquisition aufzufallen.
    Und was mochte das für ein Geselle sein, der umherging und Haustüren mit dem Heiligen Symbol markierte? Und warum tat er es?
    Tildon wusste genug von den Umtrieben der Kirche, um zumindest misstrauisch zu werden. Es
hatte
etwas zu bedeuten. Und er wusste, dass im Allgemeinen jene Leute bei bester Gesundheit und lange lebten, die es vermieden,
     den heiligen Brüdern in der einen oder anderen Form aufzufallen. Beispielsweise durch ein Sternensymbol an ihrer Tür.
    Er ließ den soeben ertasteten Schlüssel in die recht streng riechenden Tiefen von Papa Wolds Hosentasche zurückgleiten.
    »Komm!«, brummte er, ergriff den schlaffen Arm des Mannes und legte ihn sich über die Schulter. »Du übernachtest heute bei
     mir.«
    Er wohnte mit seiner Frau und den sechs Kindern nur ein paar Straßen weiter, in einem ansehnlichen Wohnhaus. Entschlossen
     stapfte Tildon los und legte sich bereits eine Erklärung für Shanna zurecht. Sie würde nicht frohlocken, soviel |230| stand fest. Sie konnte Trunkenbolde ganz allgemein nicht ausstehen – und Papa Wold insbesondere nicht. Was das anbelangte,
     war sie unversöhnlich. Die gute Nachricht war, dass die Kinder vermutlich bereits im Bett lagen. Und dass es jene Dachkammer
     gab, mit dem einzelnen Feldbett darin – immer vorausgesetzt, er bekam Papa weit genug wach, um ihn die Treppen hinaufbugsieren
     zu können.
    Erst, als Tildon an dem schmalen Durchgang zur Herrscher-Straße ankam, ging ihm auf, dass irgend etwas nicht stimmte.
    Die für gewöhnlich stockdunkle Ecke unter dem Torbogen war hell erleuchtet. Mindestens zwei Dutzend Fackeln schleuderten ihren
     zuckenden, orangeroten Schein in die Nacht. Eine Menschenmenge hatte sich zusammengerottet. Plötzlich war es nicht mehr totenstill.
    »Da sind noch zwei!«, rief jemand aus, als er Tildon mit seiner leblosen Bürde erblickte. »
Stern der Krone
oder
Krone der Sterne?«
    Tildon stoppte und Papa Wold, der wie ein Sack voller Steine an ihm hing, gab ein glückseliges Schnauben von sich.
    »Was, zur Hölle, soll das?«, brauste Tildon auf.
    Die Fackeln wurden in seine Richtung geschwenkt. Geblendet riss

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