Das erste Schwert
Gefährte schlängelte
er sich zwischen den Wurzeln mächtiger, gerade gewachsener Bäume mit glatter Rinde hindurch. Es waren keine Schlangenholz-Bäume,
mehr vermochte Skip im Dunkeln nicht auszumachen. Als Ayalla am ersten vorbeigegangen war, hatte sie eine Hand liebevoll über
den gewaltigen Stamm gleiten lassen, wie lauschend innegehalten und kurz aufgelacht. Dann erst war sie weitergegangen.
Nun traten sie an mannshohen Büschen vorbei auf eine neue Lichtung. Eine weite Wasserfläche glitzerte. Der Fluss |221| strömte in einen Weiher, der groß genug schien, um darin schwimmen zu können. Sofort fielen Skip die fünf länglichen Erhebungen
im Gras auf.
Zuerst hielt er sie für Gräber. Dann fiel ihm auf, dass nicht aufgehäuftes Erdreich sie bildete, sondern Gras – dichtes, ineinander
verflochtenes Gras.
Graspolster
, dachte er verwundert.
»Eure Betten«, sagte Ayalla lächelnd. »Waschen könnt ihr euch dort drüben im Bach. Eine gute Nachtruhe wünsche ich euch.«
Sie wandte sich um und verschwand in den Schatten zwischen den hohen Bäumen. Die Gefährten standen in überwältigtem Schweigen
beieinander.
»Kommt schon, macht’s euch bequem!«, sagte Garnald nach einer Weile. »Sorgt euch nicht. Ich erlebe dies alles nicht zum ersten
Mal.«
»Ich muss mein Pferd holen«, sagte Kara und machte Anstalten, sich umzudrehen.
»Lass’ es.« Es fehlte nicht viel, und Garnalds Worte hätten wie ein Befehl geklungen – und zu Skips Überraschung gehorchte
Kara.
»Der Stute wird’s an nichts mangeln«, fügte der Pfuhlgänger leise hinzu. »Und wir können uns sicher sein, dass sie unsere
Betten nicht auffrisst.«
Die Olivianerin entgegnete nichts darauf; schweigend setzte sie ihr Bündel neben einem der
Betten
ab.
»Können wir uns da drin wirklich waschen?«, fragte Ellah ganz ungewöhnlich zurückhaltend. »Ich würde sterben für ein Bad!«
»Klar«, antwortete Garnald. »Solange wir Ayallas Gastfreundschaft genießen, sind wir absolut sicher. Und selbst wenn’s nicht
so wäre, gibt’s hier nichts, was sicherer ist als das Wasser.«
»Wie meinst du
das
denn?«, fragte Ellah angespannt.
|222| »Sorge dich nicht.« Garnald lachte auf. »Wir sind sicher, zumindest heute Nacht.« Er warf Erle einen seltsamen Blick zu. Skip
nahm sich vor, ihn danach zu fragen – doch blieb es dabei; er war viel zu müde. Alles schien gut zu sein – sie konnten endlich
schlafen.
»Ich werd’ mich morgen früh waschen«, murmelte er, kaum mehr richtig bei Sinnen, und bückte sich, um seinen Schlafplatz zu
betasten. Seidenweich war das Gras, und es hieß ihn willkommen. Er streckte sich darauf aus, zog seinen Mantel wie eine Decke
über sich. Bevor er wegdämmerte, hörte er noch ausgelassenes Plantschen und Mädchenstimmen, die vom Bach herüberwehten. Er
konnte sich nicht mehr sicher sein, doch glaubte er, dass eine dieser Stimmen Kara gehörte. Dann rückte alles von ihm ab –
die Stimmen, die Lichtung, die ganze Welt, bis nur noch Stille in ihm war.
Etwas Pelziges huschte ihm übers Gesicht. Weich. Und trotzdem körperlos. Erle riss die Augen auf und starrte. Eine Gestalt
beugte sich über ihn. Eine Frau.
Sein erster Gedanke war, dass Kara ihn weckte, weil er an der Reihe war, Nachtwache zu halten. Doch dann stieg ihm jener unbestimmte
und doch so vertraute köstliche Duft in die Nase – frisches Wasser und mit Honig gesüßte Efeuknospen.
Ayalla.
Erle setzte sich auf, alle Müdigkeit fiel von ihm ab. Ayalla legte, kaum mehr als ein Nachtgespenst, einen Finger über die
Lippen und bedeutete ihm, mitzukommen. Schon glitt sie zurück in das Dunkel unter den Bäumen – und nach links; sie entfernte
sich von jenem Hügel, in dem sie ihre Behausung hatte. Hastig sprang Erle auf und folgte ihr so leise wie nur irgend möglich.
Doch so schnell er auch lief, es gelang ihm nicht, zu ihr aufzuschließen, bis sie eine weitere Lichtung erreichte, dieses
Mal direkt am Ufer des Baches gelegen, der sich hier staute.
|223| Ohne innezuhalten oder sich umzudrehen und nachzusehen, ob er immer noch da war, streifte Ayalla ihr Gewand ab, ließ es zu
Boden fallen, stieg, nun splitternackt, über das Knäuel hinweg und schritt wie selbstverständlich ins dunkel gleißende Wasser
hinaus.
Erle lief schneller, in seinem Kopf herrschte Tumult. Noch niemals hatte er eine nackte Frau gesehen; das und Ayallas überirdische
Schönheit machten den Anblick nahezu unerträglich. Und
Weitere Kostenlose Bücher